Modern Times

/ Kurt Bracharz

Die Amerikaner waren in ihren Wahlkämpfen nie zimperlich. Die Wahlhelfer von Thomas Jefferson streuten aus, sein Gegner John Adams sei ein ‘scheußlicher Hermaphrodit’, der Kongressabgeordnete Davy Crockett behauptete, der Präsidentschaftskandidat Martin Van Buren trage gerne Frauenkleidung, und 1876 beschuldigte der Republikaner Rutherford Hayes seinen demokratischen Gegenspieler Samuel Tilden, sich bei einer Prostituierten mit Syphilis angesteckt zu haben, worauf die Demokraten erzählten, Hayes habe nach einer durchzechten Nacht auf seine eigene Mutter geschossen. (Hayes gewann später durch Wahlbetrug.)

Im Verhältnis dazu sind die US-Wahlkämpfe doch um einiges zivilisierter geworden. Klar, über Barack Obama wurde ausgestreut, er sei nicht in den USA geboren und seine daraufhin öffentlich gezeigte Geburtsurkunde aus Hawaii sei eine Fälschung, er habe seinen Schwur als Kongressmitglied auf den Koran abgelegt, er sei ein Terroristen-Sympathisant, radikaler Schwarzer, Amerikahasser und geheimer Moslem. Außerdem werde er alle Steuern erhöhen und neue einführen, vor allem auf Wasser.

Dahinter stand nicht McCains Wahl der Waffen. Dem hatte man beim Wahlkampf 2000 in South Carolina angedichtet, er habe ein uneheliches Kind mit einer Schwarzen und sei mit einer Drogensüchtigen verheiratet. Als 2004 der Dreckschleuderverein Swift Boat Veterans John Kerrys Teilnahme am Vietnamkrieg madig machen wollte, sprach sich der Vietnamveteran McCain heftig gegen solche unerbetene Schützenhilfe aus.

In diesem Wahlkampf verzapfte vor allem McCains Vize-Kandidatin Sarah Palin genügend Nonsense, dass man keinen hätte dazu erfinden müssen, man tat es aber, z. B. dass sie Afrika für ein Land statt für einen Kontinent gehalten habe. Dafür schwieg man eher zu Joe Bidens treuherziger Bemerkung, Franklin Delano Roosevelt sei ins Fernsehen gegangen, als 1929 die Aktenmärkte einbrachen, und habe die Leute beruhigt. (Der Präsident hieß Herbert Hoover und das Massenmedium war damals noch die Presse.)