Neues von der Menschenwürde

/ Kurt Bracharz

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung eines PKK-Führers an die Türkei für grundgesetzwidrig erklärt, weil der Mann, der einen Bombenanschlag auf einen Provinzgouverneur angeordnet hatte, dort zu einer so genannten ‘erschwerten’ lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt würde. Das ist eine Strafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann und eine Begnadigung nur bei dauerhafter Krankheit oder aus Altersgründen vorsieht. Sie bedeutet in der Praxis tatsächlich ‘lebenslanges’ Eingesperrtsein.

Die Richter in Karlsruhe halten unter solchen Bedingungen eine Auslieferung für unvereinbar mit der Menschenwürdegarantie des deutschen Grundsetzes, weil Strafen ‘hart’, aber nicht ‘grausam, unmenschlich oder erniedrigend’ sein dürfen. Die türkische ‘erschwerte’ Strafe nehme dem Häftling ‘jene Hoffnung auf ein späteres selbstbestimmtes Leben in Freiheit, die den Vollzug der lebenslangen Strafe nach dem Verständnis der Würde der Person überhaupt erst erträglich macht’.

In den USA war der Deutsche Jens Söring, der 1985 in Virginia die Eltern seiner damaligen Freundin ermordet hatte, zu zweimal lebenslanger Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung verurteilt worden. Der neue republikanische Gouverneur von Virginia hat sich soeben gegen die von seinem demokratischen Vorgänger befürwortete Auslieferung Sörings an Deutschland ausgesprochen. Darüber hat nun zwar kein deutsches Höchstgericht zu entscheiden, aber in der Berichterstattung zu den beiden Fällen zeigt sich, dass deutsche Journalisten sich bemüssigt fühlen, nur die Türkei zu belehren.

Zum Beispiel konnte man in der FAZ lesen: ‘Gleicht sich die Türkei – sozusagen nur um solcher ‘Verbrecher’ habhaft zu werden – den europäischen Standards bei Urteilen und Strafvollzug an? Dann tritt sie der EU einen Schritt näher. Oder sie bleibt von ihren Normen überzeugt – die sind dann aber nicht europakompatibel.'). Für die noch nie europakompatible Strafjustiz der USA ist wohl nur Amnesty International zuständig.