Abschied von einem Naturwunder

/ Kurt Bracharz

Die letzte Mattanza hat schon stattgefunden. Das war die traditionelle Art des Thunfischfangs vor den Küsten Siziliens und Sardiniens. Heute gibt es sie nicht einmal mehr als Touristenattraktion, weil die letzten Thunfischschwärme schon vor ihrem Eintritt ins Mittelmeer durch internationale Fangflotten abgefischt werden.

Jahrhunderte lang zogen die Schwärme des Roten Thunfischs (Thunnus thinnus) durch die Meerenge von Gibraltar und wurden im Mai und Juni von den Fischern in die tonnara, ein kilometergroßes System aus Netzen und Reusen mit ineinander übergehenden Kammern im Zentrum getrieben. Aus der innersten, der camera della morte, wurden die Fische mittels sich hebendem Bodennetz an die Oberfläche geholt, von jeweils acht Männern pro Boot mit Enterhaken gespießt und ins Boot gezerrt.

Bei einer erfolgreichen Mattanza wurden etwa zwei Meter lange, 200 Kilogramm schwere Exemplare getötet, in Favignana in den 70er Jahren 3000 pro Jahr, in den 80ern und Anfang der 90er Jahre 1000 oder weniger. In einem der besten Jahre, 1986, ergab die Mattanza von Favignana 678 Tonnen Thunfisch. Die Fische wurden und werden fast ausschließlich nach Japan verkauft und dort für Sushi und Sashimi verwendet. Bei einer Versteigerung in Tokios Fischmarkt Tsukiji wurden für einen 232 Kilogramm schweren Roten Thunfisch schon 132.000 Euro bezahlt.

Der Rote Thun kann als größte Thunfischart bis zu 4,5 Meter lang und 700 Kilogramm schwer werden. Der Warmblüter erreicht eine Schwimmgeschwindigkeit bis zu 80 Stundenkilometer und kann schneller beschleunigen als ein Porsche. Heute steht seine Ausrottung unmittelbar bevor, weil die fortpflanzungsfähigen Bestände abgeschlachtet werden und die angebliche ‘Züchtung’ in Wirklichkeit auf die Mästung gefangener (nicht aufgezogener) und in Käfigen gehaltener Tiere hinausläuft. Die Japaner haben auf der letzten Artenschutzkonferenz durchgesetzt, dass der Rote Thun nicht auf die Rote Liste kam; die (viel zu hohen) legalen Fangquoten werden ohnehin ignoriert.