Asoziale Netzwerke

/ Kurt Bracharz

Auf vol.at gab es genauso wie auf vielen anderen Webseiten einen Link zu einem YouTube-Video, auf dem man zusehen konnte, wie ein junges Mädchen in einem roten Kapuzenanorak sechs lebende Hundewelpen in einen Fluss warf. Früher war das Ersäufen von jungen Hunden und Katzen eine verbreitete Art, den unerwünschten Tiernachwuchs loszuwerden, wobei meistens alle Tiere in einen Sack gesteckt und dieser verschnürt ins Wasser geworfen wurde. Oft wurde das vom pater familias durchgeführt, aber auch Frauen waren dafür nicht zu zart besaitet. Juristisch galten Tiere damals als ‘Sachen’, mit denen man straflos so verfahren konnte, aber alle neueren Tierschutzgesetze in zivilisierten Ländern haben dem ein Ende gemacht.

Die sogenannten Tierschützer der Organisation Peta setzten laut ‘Süddeutsche Zeitung’ 2000 Euro Kopfgeld auf den Namen des abgewandt stehenden und nicht leicht zu identifizierenden Mädchen aus, und der US-Regisseur Michael Bay versprach sogar 50.000 Dollar für brauchbare Hinweise. Müssten nicht bereits diese beiden Auslobungen als Volksverhetzung strafbar sein? Klar war es Tierquälerei und deshalb nach dem Strafgesetz zu verfolgen – aber Kopfgeld? In welchem Land und in welchem Jahrhundert sind wir hier eigentlich?

Jedenfalls nannte ein User im Netz den vollen Namen, Adresse, Telefonnummer und Schule einer 18-Jährigen aus dem bayerischen Aying. Die Folgen waren zwei Millionen Zugriffe auf den Namen, Hetzkampagne, Beschimpfungen, Morddrohungen, schließlich sogar eine erzwungene Flucht ins Ausland. Der anonyme User war ein Verleumder, eine Erkenntnis, die dem Mädchen auch nichts mehr nützt, denn als die Polizei das Video bei YouTube löschen ließ, stellten Leute Kopien samt dem Namen wieder ins Netz, und die sind immer noch drinnen, obwohl mittlerweile eine Kroatin ins Visier der Psychopathen geraten ist.

Geben wir uns keinen Illusionen hin: Ähnliches kann jedem von uns jeden Tag passieren, und ohne jeden echten Anlass. Die Ayingerin wusste ja auch nicht, wie ihr geschah.