Eine Lustenauer Weihnachtsgeschichte

/ Kurt Bracharz

Das im Bucher Verlag, Hohenems, erschienene Buch ‘Falsche Erben’ des ORF-Journalisten Gernot Hämmerle ist auch für Nicht-Betroffene der Vorarlberger Testamentsfälscheraffäre eine interessante Lektüre. Der Trick der Fälscher war sehr ausgefeilt – wenn sie nicht den vermeidbaren Fehler gemacht hätten, immer denselben Schimmel zu verwenden, der auch noch einen ins Auge fallenden Satzzeichenfehler enthielt, wären sie möglicherweise nie aufgeflogen.

‘Schimmel’, etymologisch eine Verballhornung von ‘Faksimile’, ist eine unter Beamten übliche Bezeichnung für eine immer wieder verwendete Dokumentenvorlage; in Textprogrammen heißt so etwas jetzt ‘Template’. Die gefälschten Testamente begannen stets mit ‘Ich, X. Y. vermache’ (wobei nach Y. der Beistrich fehlt), hatten exakt denselben Aufbau und genügten nur den juristischen Minimalanforderungen. Das konnte man aber erst erkennen, als man sie verglich, wozu lange Zeit kein Anlass bestand. Bemerkenswert ist, wie viele Leute letztlich doch zu glauben bereit waren, ihr erwartetes Erbe sei einer ihnen bis zur Testamentseröffnung unbekannten, dementen Person hinterlassen worden. Erst der hartnäckigste Skeptiker fand zuletzt eine Richterin, die bereit war, der Sache auf den Grund zu gehen.

Ebenso bemerkenswert sind die von Hämmerle nur beiläufig erwähnten politischen Randerscheinungen des Skandals: Die Fälscher wollten die Stadt Dornbirn hinsichtlich eines Hauses am Zanzenberg übertölpeln. Obwohl die Stadt den sich daraus ergebenden Prozess klar gewonnen hätte, zahlte sie lieber 20.000 Euro, um einen längeren Rechtsstreit abzuwenden. Das ist zwar nicht viel Geld, verglichen mit dem Wert des Hauses, aber warum kam es angesichts der klaren Rechtslage zugunsten der Stadt überhaupt zu einer Zahlung? Und die Gemeinde Lustenau kaufte 2003 ein Grundstück aus einer ebenfalls bereits als dubios bekannten Erbschaft zu einem Preis erheblich unter dem wahren Wert. Ein hoher Gemeindebediensteter soll damals gesagt haben, das sei für die Gemeinde ‘wie Weihnachten’ gewesen.