Gut gemeint von Eco

/ Kurt Bracharz

Der 1932 in Alessandria geborene Semiotikprofessor Umberto Eco hat eine Reihe von kulturgeschichtlich interessanten Essays verfasst und parallel dazu eine Reihe von literarisch miserablen Romanen. Der erste davon, ‘Der Name der Rose’ (deutsche Ausgabe 1982), war noch gut lesbar, weil Eco sich darin geschickt populärer Klischees bediente, vor allem des Holmes-Watson-Verhältnisses der beiden Hauptfiguren, einer Kriminalhandlung mit einem durchdachten Plot und der für einen Trivialroman unerlässlichen Love story. Eco gab als sein Vorbild für diesen Roman den Schriftsteller Salgari an, den man auch den ‘italienischen Karl May’ nennt, was zeigt, dass Eco in seiner literarischen Selbsteinschätzung nicht zu hoch griff.

Sein neuer Roman ‘Der Friedhof in Prag’ (deutsche Ausgabe 2011) liest sich wie ein umgestürzter Zettelkasten voller Exzerpte und Zitate. Zusammengehalten sollte diese Papierflut von dem Protagonisten Simonini werden, der erfundenen Figur unter sonst historischen. Simonini ist hauptberuflicher Dokumentenfälscher und der eigentliche Hervorbringer der ‘Protokolle der Weisen von Zion’, die er in Paris für den zaristischen Auslandsgeheimdienst Ochrana produziert. Der Roman stellt in aller Ausführlichkeit die Verwandlungen dieser historischen Verschwörungstheorie vor, von ihren Anfängen in Romanen von Dumas und Sue über die Pamphlete von Boullan, Joly und Taxil bis zu den gezielten Fälschungen der Dreyfus-Affäre und schließlich der Ochrana, aber die Hauptfigur, der Antisemit und Mörder Simonini, entwickelt keinerlei Präsenz, sondern bleibt völlig abstrakt, obwohl Eco seinen Protagonisten sogar mit etwas Freudscher Psychologie ausstatten wollte. Deshalb fällt es schwer, die 510 Seiten des Romans zu lesen, die man als Dokumentation von 250 Seiten vielleicht schätzen würde (obwohl es solche Sachbücher schon gibt).

Für die Perzeptionsgeschichte der ‘Protokolle’ wäre freilich jede Variante belanglos: Wer heute noch an die ‘Protokolle’ glaubt, ist gegen Aufklärung immun.