Echte Barbaren

/ Kurt Bracharz

Vielleicht waren es ja doch die in den letzten Jahren gehäuft erschienenen ‘Verräterschriften’, die bei deutschen Politikern und Behörden das Bild, das sie sich von den Motorradgangs machten, verändert haben. ‘Verräterschriften’ nannte man im 19. Jahrhundert jene Enthüllungsbücher von ehemaligen Freimaurern, welche die Grundsätze und Rituale der Freimaurerei schilderten.

Die Hells Angels, die Bandidos oder die Pagans sind zwar keine Geheimgesellschaften (sie tragen ihre Kutten ja ständig), aber der Normalbürger wusste früher nicht, was das ‘1-Prozent’-Abzeichen der Angels bedeutet oder wer die ‘Filthy Few’ sind. (1947 sagte ein Sprecher der American Motorcycle Association im Fernsehen, 99 Prozent der Biker seien verantwortungsvolle Bürger und nur ein Prozent ‘echte Barbaren’. Seither tragen viele Rocker den 1-%-Aufnäher. Das ‘Filthy Few’-Abzeichen bedeutet Härteres, nämlich einen Mord begangen zu haben.)

Ehemalige deutsche Hells Angels- und Bandidos-Mitglieder hatten in von Ghostwritern verfassten Büchern über Rauschgifthandel und Rotlichtszene geplaudert und auch Morde im Rocker-Milieu erwähnt. Die deutschen Rockergangs verteidigen sich gegen solche Vorwürfe immer wie ihre amerikanischen Vorbilder: Es gebe wohl einzelne kriminelle Mitglieder, aber die Motorradbanden an sich seien keineswegs kriminelle Organisationen, generelle Maßnahmen gegen sie also unzulässige Sippenhaft. Die Deutschen sehen das nun anders, die GSG 9 machte in der letzten Zeit in Berlin, Hannover und Brandenburg Hausbesuche bei Angels und Bandidos, mit Rammböcken, Blendhandgranaten und schussbereiten Waffen. In Hannover wird die Leiche eines angeblich von Angels ermordeten Türken gesucht.

Einzelne Clubs der Angels sind bereits verboten worden, die Politiker denken über ein generelles Verbot der Hells Angels in Deutschland nach. In der Schweiz war eine Großrazzia gegen die Angels ein Schlag ins Wasser. Die Bikergangs haben nicht nur in den USA und in Kanada, sondern weltweit gute, teure Anwälte.