Last Exit Vorarlberg?

/ Kurt Bracharz

In den Zeitungsberichten der letzten Tage zum Vorschlag der Bioethikkommission, die Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmen Voraussetzungen straffrei zu stellen, wurde ein Fall erwähnt, dessen mögliche Strafbarkeit viele überrascht haben dürfte: Ein Kärntner hatte seine todkranke Frau nach deren Entschluss, ihren Qualen in einem Euthanasie-Institut ein Ende zu setzen, in die Schweiz begleitet. Das war’s auch schon; Sterbehilfe ist in der Schweiz legal, und auch Ausländern zugänglich.

Dem Manne konnte also nur vorgeworfen werden, seine Gattin begleitet zu haben. Ein Kommentar in der Zeitung ‘Die Presse’ formulierte dazu die Frage, ob ein Gesetz wirklich verlangen kann, dass man in Vorarlberg aus dem Zug steigt und seinen Lebenspartner allein sterben lässt? Der Ehemann wurde ‘wegen entschuldigenden Notstands’ freigesprochen, aber dass er überhaupt vor Gericht musste, ist unverständlich, wenn man davon ausgeht, dass in europäischen Demokratien Staat und Religion getrennt sein sollten. In Österreich ist derzeit jede Art der Beihilfe zur Selbsttötung verboten, auch Beratung oder Begleitung. Diese Rigorosität ist aus einem religiösen Hintergrund erklärbar, für alle Kirchen (aber insbesondere für die katholische) war der Suizid als eine Auflehnung des Geschöpfs gegen das von seinem Schöpfer verhängte Schicksal immer eine der schwersten Sünden. Das kann aber nicht mehr die Betrachtungsweise des modernen Gesetzgebers sein. Es gibt in Österreich ein neueres Argument gegen die Legalisierung des assistierten Suizids, dass nämlich kranke Alte von ihren Angehörigen aus finanziellen Gründen (Pflegekosten, Erbe) mehr oder weniger subtil zur Lebensverkürzung gedrängt werden könnten. Da mag etwas daran sein, aber das ist nur ein psychologisches Argument, demgegenüber die Selbstbestimmung der Todkranken viel schwerer wiegt. Übrigens wurden offenbar in der Schweiz die Angehörigen seit über hundert Jahren als weniger geldgierig eingeschätzt, denn dort sind Suizid und Suizidversuch schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts legal. Ab 1918 galt das landesweit auch für die Beihilfe zum Suizid. Seit 1942 ist es in der neueren Formulierung dieses Gesetzes legal, jemandem beim Freitod beizustehen, ‘solange die Hilfeleistung nicht aus selbstsüchtigen Gründen erfolgt’. Ganz anders in Österreich: Die Ärztekammer hat schon im Vorfeld der aktuellen Diskussion jegliche ärztliche Beihilfe zum Suizid per Resolution abgelehnt. Ärzte braucht es freilich zur Feststellung, ob volljährige und einwilligungsfähige, suizidwillige Personen an einer unheilbaren tödlichen Krankheit mit begrenzter Lebensdauer leiden und einen nachhaltigen Todeswunsch haben (das wären die Bedingungen der Bioethikkommission für die Legalisierung der Beihilfe durch Angehörige, Freunde und Ärzte). In der Schweiz sollen gut zwei Drittel der Ärzte sich mittlerweile für das selbstbestimmte Sterben durch ein ärztlich verschriebenes Medikament ausgesprochen haben. Der mit 80.000 Mitgliedern größte Sterbehilfeverein der Schweiz hat sich ein Motto von Hermann Hesse auf seine Webseite gesetzt: ‘Was den freiwilligen Tod betrifft: Ich sehe in ihm weder eine Sünde noch eine Feigheit. Aber ich halte den Gedanken, dass dieser Ausweg uns offen steht, für eine gute Hilfe im Bestehen des Lebens und all seiner Bedrängnisse.’