Neue Formate der Wiederbetätigung

/ Kurt Bracharz

Der Schweizer Lehrer Bernard Junod aus dem Kanton Waadt posierte vor fünf Jahren auf einer Studienreise vor dem Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz grinsend mit einer Packung Nasi Goreng in der Hand. Das sollte ein Wortspiel sein (das vielleicht mit französischem Akzent gesprochen näher liegt als auf Deutsch): Nasi Goreng, Nazi Göring. Man kann sich das Foto im Internet ansehen, wenn man Junod googelt.

Das ist zwar sowohl als Motiv als auch als Pointe einfach nur blöd, aber dass Junod von seinem Arbeitgeber, dem Kanton Wadt, unverzüglich gefeuert wurde und seither keine feste Lehrerstelle mehr finden konnte (auch nicht in anderen Kantonen, zuletzt hat er sich in Fribourg beworben), scheint doch ein wenig übertrieben, denn Junod ist zwar offensichtlich ein Simpel, aber doch kein Neonazi. Wegen Dummheit ist aber noch keiner aus dem Schuldienst entlassen worden.

Anders liegt die Sache bei einem österreichischen Fall: Vor kurzem hat sich ein Funktionär des Linzer türkischen Vereins Avrasya auf einem Granitblock im Weiheraum des Konzentrationslagers Mauthausen beim Gruß der Grauen Wölfe fotografieren und das Bild auf Facebook stellen lassen, mit dem Begleittext: ‘Mein Bruder in Hitlers Konzentrationslager. Weder Amerika noch Russland noch China! Alles für das Türkentum!’ Das Mauthausen-Komitee hat gegen den Faschisten-Gruß im KZ protestiert, weiters ist offenbar nichts geschehen, der Verein wird sowieso von der Staatspolizei ‘beobachtet’.

Der griechische Innenminister Panagiotis Kouroumplis von der Syriza sagte nach einem Besuch des Lagers Idomeni zum Fernsehsender Skai, wer hierher komme, dem drehe sich angesichts der desaströsen Lage der Magen um. ‘Ich zögere nicht zu sagen, dass hier ein zeitgenössisches Dachau ist’, formulierte Kouroumplis. Da Idomeni das Ergebnis der Schließung der Balkanroute sei, stellte der Grieche damit Deutschland und Österreich als die Verursacher dieses angeblichen KZs hin. In Dachau fanden unter anderem Menschenversuche statt, bei denen getestet wurde, wie lange Häftlinge nackt in Eiswasser oder in Unterdruckkabinen zum Sterben brauchten, aber wer weiß schon, aus welchen Quellen Kouroumplis’ Vorstellungen, wie die Verhältnisse in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten waren, stammen.

Zur Tragödie noch das Satyrspiel: Ein NPD-Funktionär namens Marcel Zech hat sich auf seinen unteren Rücken das stilisierte Torhaus von Auschwitz und die Aufschrift ‘Jedem das Seine’ aus dem KZ Buchenwald tätowieren lassen und ist von einem Journalisten angezeigt worden, der in einem öffentlichen Bad das Tattoo gesehen hatte. Gegen die Verurteilung wegen Volksverhetzung durch das Amtsgericht Oranienburg hat Zechs Verteidiger Einspruch eingelegt. Der Berliner Strafverteidiger Christoph Grabitz schrieb dazu in der Zeitschrift ‘chrismon’:

‘Die Tätowierung oberhalb des Popos von Marcel Zech ist geschmacklos, das steht außer Frage. Der eigentliche Skandal des Falles liegt aber doch hier: Außer dem Journalisten, der an jenem Tag zufällig in dem Bad war, hat sich offenbar niemand an der Tätowierung gestört. Der öffentliche Friede, den der Tatbestand der Volksverhetzung schützt, war mithin lediglich aus der Sicht eines einzigen Individuums in Gefahr. Man kann die Sache auch so ausdrücken: Die Zivilgesellschaft an jenem Tag, in jenem Schwimmbad, hat kläglich versagt.’