Gärten des Grauens

/ Kurt Bracharz

In Heilbronn, der 50 km nördlich von Stuttgart gelegenen 125.000-Einwohner-Stadt am Neckar, findet in diesem Jahr die deutsche Bundesgartenschau statt. Eine sich gerade in Heilbronn – aber auch anderswo in Deutschland – ausbreitende Gartenform wird dort nicht vorgestellt werden (oder höchstens als negatives Beispiel, aber auf der Bundesblümchenschau ist eigentlich gar kein Platz für Negatives): der Schottergarten, von dem Berliner Biologen Ulf Soltau als „Garten des Grauens“ bezeichnet.

Der Name sagt es schon: beim Schottergarten wird auf der Gartenfläche lediglich grober Straßenschotter ausgeschüttet, vielleicht noch eingegrenzt von Gabionen, mit Steinen gefüllten Gitterkörben, die ebenfalls aus dem Straßenbau stammen.

Die in Illertissen ansässige Stiftung Gartenkultur hat eine Aktion „Entsteint euch!“ gestartet und fordert: „Schottergärten sollten gesellschaftlich geächtet werden.“ Wohlwollende Betrachter bringen die geometrischen, schmucklosen Schottergärten lieber mit dem Bauhaus in Verbindung und sprechen von Minimalismus oder einem „reduzierten, modernen Stil“. Gegner behaupten, die Besitzer von Schottergärten seien lediglich zu faul zur Gartenarbeit. Nur, wenn doch ein besonders zähes Pflänzchen seine Blätter aus dem Schotter reckt, greifen sie zur chemischen Keule und machen es nieder. Wozu hat Bayer Monsanto gekauft?

Der Schottergarten ist kein Thema für die Saure-Gurken-Zeit, er ist zwar noch nicht flächendeckend vorhanden, breitet sich aber beharrlich aus. Deshalb hat Heilbronn ein Zeichen gesetzt und in drei Baugebieten in dörflich geprägten Teilorten ein Schottergartenverbot erlassen. Das Verbot dürfte rechtssicher sein, obwohl das Wirtschaftsministerium in Stuttgart jede zulässige Nutzung der Gartenfläche für grundsätzlich möglich hält. Die baden-württembergische Landesbauordnung schreibt aber für unbebaute Flächen rund um Häuser Grünflächen vor, was ursprünglich als Maßnahme gegen allzu großzügiges Betonieren von Garagenzufahrten und Terrassen gedacht war.

Die „Lindauer Zeitung“ illustrierte einen Bericht über Schottergärten mit dem Bild eines Zen-Gartens, wobei das Wort „Zen-Garten“ weder im Artikel noch in der Bildunterschrift vorkam. „Zen-Garten“ ist die volkstümliche Bezeichnung für Kare-san-sui, die „trockene Landschaft“. Sie besteht zwar auch nur aus feinem Kies, Felsen, Steinbrocken und – als einziger zugelassener Pflanze – Moos, aber sie hat eine genau definierte Struktur: Es darf sich keine geometrische Figur ergeben, die mit dem Rechen im Kies gezogenen Linien müssen in sich zurücklaufen, die steinernen Elemente müssen eine ungerade Anzahl haben, die Wasserströmung andeutenden Linien müssen nach der Platzierung der Steine gezogen werden (nicht die Steine nachträglich eingefügt). Der berühmteste Zen-Garten ist der im Tofuku-Tempel in Kyoto, dessen meditativer Wirkung sich auch unbedarfte Zuschauer kaum entziehen können. Einem deutschen Schottergarten ähnelt er nun gar nicht; ob man ihm nun spirituelle oder nur ästhetische Wirkung zuschreibt, er ist sicher nicht von nihilistischem Charakter wie der Heilbronner Garten des Grauens.