Et tu, Hillary?

/ Kurt Bracharz

In der amerikanischen Politik wird viel gebetet, meist in privaten Zirkeln, aber auch öffentlich. Als Saddam Hussein 2003 in Tikrit gefangen genommen wurde, arrangierte Bush eine Konferenzschaltung mit drei Predigern und seinen Eltern, kniete mit Justizminister John Ashcroft im Oval Office nieder und hörte Reverend Franklin Grahams Predigt zu: »Jesus, diese Mission trägt Deine Handschrift, und es ist Dein Werk, o Herr, dass das Böse, das Saddam Hussein verkörpert, der Gerechtigkeit zugeführt wird. Im Namen Jesu Christi danken wir Dir für dieses großartige Geschenk, das Du dem rechtschaffenen Volk der gesegneten Vereinigten Staaten von Amerika gemacht hast.«

Im April 1935 gründete der Wanderprediger Abraham Vereide die evangelikale Gruppe »The Family«, die im Verborgenen operieren und ranghohe Politiker in ihre Reihen aufnehmen wollte, was auch gelang, indem im Laufe der Jahre Leute wie Eisenhower, John F. Kennedy und George H. W. Bush der Organisation beitraten, die sich mittlerweile »The Fellowship« nennt. 1943 traf sich die erste Senatorengruppe zum Gebetsfrühstück, seit 1953 gibt es Nationale Gebetsfrühstücke, die jeweils im Februar in Washington, D.C., stattfinden und vom Kongress gesponsert werden.

Interessanter sind kleine Untergruppen, zum Beispiel jenes gute Dutzend fast ausschließlich republikanischer Senatoren, das sich jeden Mittwoch unter der Führung von »The Fellowship«-Leiter Douglas Coe trifft. An diesem Gemeinschaftsgebet nimmt regelmäßig auch die Demokratin Hillary Clinton teil, die seit einiger Zeit als Präsidentschaftskandidatin gilt.

Wer während Bill Clintons letzter Amtszeit bei den Worten »America on his knees« nur an Fellatio dachte, übersah, dass Clinton bei seinem ersten Wahlkampf in Kirchen predigte, während beider Amtszeiten stets Bibelzitate in seine Reden einflocht und bei seinem letzten Gebetsfrühstück von seiner »Sünde« und den Zehn Geboten sprach. Bei ihm war die Heuchelei klar – bei Hillary kann man sich da nicht so sicher sein, leider!