Von China lernen

/ Kurt Bracharz

Ein Erziehungswissenschafter sagte neulich, in zwanzig Jahren würden die Europäer für China Hemden nähen. Ich würde diese Aussage ja gerne mit Namensnennung zitieren, habe sie aber im Café gelesen und mir nur diesen Satz gemerkt, der mir sofort einleuchtete. Wieder eingefallen ist er mir jetzt, weil der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis öffentlich darauf hinwies, dass die Chinesen die Hauptnutznießer des geplanten europäischen Satellitennavigationssystems Galileo sein werden.

Der Leiter des Galileo-Gemeinschaftsunternehmens Reiner Grohe erklärt, warum: »Wir bauen mit Steuerngeldern eine phantastische Infrastruktur auf. Die Geräte, um damit zu arbeiten, werden aber in China fabriziert und die Software in Indien.« Die europäischen Politiker waren wieder einmal doof genug, die Chinesen mit einem halben Prozent der Gesamtkosten an der Galileo-Entwicklung zu beteiligen, was diesen Zugriffsmöglichkeiten auf die neue Technologie verschafft. Chatzimarkakis verwies auf das Beispiel des Transrapids, bei dem die Chinesen die europäische Entwicklung dieser Technik beobachtet und sie dann in China unter Patentschutz gestellt hatten, so dass sie sich jetzt von 32 Transrapid-Patenten 29 gesichert haben.

Ein erheiterndes Beispiel für eine unfreundliche chinesische Übernahme eines westlichen Produkts waren vor mehr als einem Jahrzehnt die Bernhardiner. Die Schweizer fühlten sich damals geschmeichelt, als sich Chinesen für ihre berühmte Hunderasse interessieren, und verkauften ihnen Zuchttiere in der Meinung, deren Nachkommen würden eine Alpinausbildung bekommen. Jetzt kostet in Beijing ein Kilo »Rou Gou«, also zartes Bernhardinerfleisch, 1000 Yuan (ca. 100 Euro).

Das Nähen von Billigstkleidung wäre natürlich die angemessene Beschäftigung für viele europäische »Führungskräfte«, politische wie wirtschaftliche. Aber vielleicht begießen die landlosen Bauern oder die 100 Millionen Wanderarbeiter in China mal wieder den Baum der Freiheit mit Blut, dann haben wir einen kleinen Aufschub.