Frech oder dumm? Oder beides?

Am 7. Februar hat der Erzbischof von Canterbury in einer BBC-Sendung vorgeschlagen, Teile der Scharia als Rechtspraxis für Muslime in England anzuerkennen. Am 9. Februar hat das türkische Parlament das Kopftuchverbot für türkische Universitäten aufgehoben.

Das 104. Oberhaupt der anglikanischen Kirche Rowan Williams hat sich allerdings nicht für die Steinigung von Ehebrechern und das Abhacken von Diebeshänden ausgesprochen, sondern nur für die Berücksichtigung islamischer Rechtsvorstellungen in Schlichtungsverfahren im Rahmen des Ehe- und Familienrechts, unterhalb des britischen Zivilrechts. Das ist ja vielleicht nicht ganz so närrisch, wie es zunächst klingt (die ‘Mail’ nannte den 57-jährigen Erzbischof postwendend einen ‘blöden alten Esel’), aber mit der grundlegenden westlichen Trennung von Kirche und Staat unvereinbar.

Warum sollte es Frauen mit einem Kopftuch verboten sein, Evolutionsbiologie oder Quantenphysik zu studieren, religiöses Symbol hin oder her? Was geht es den Staat an, ob man Schläfenlocken, einen Turban oder einen Knochen durch die Nase trägt? Aber das ist in der Türkei ja auch nicht die eigentliche Frage, denn als nächstes will die Regierungspartei AKP den Imam- und Predigerschulen ‘den Zugang zum Studium erleichtern’. Die interessieren sich nicht gerade für die naturwissenschaftlichen Fakultäten (auch wenn so viele islamistische Terroristen im Westen ausgebildete Ingenieure sind). Der Trend geht nicht zu mehr religiöser Freiheit, sondern ganz im Gegenteil zur Abschaffung des türkischen Laizismus, der sich Atatürks Interesse an der Schweizer Verfassung verdankt.

Ziemlich jenseitig mutet Premier Tayyip Erdogans Forderung bei seinem Deutschlandbesuch an, die Deutschen sollten in Deutschland Gymnasien und Universitäten mit Türkisch als Unterrrichtssprache schaffen, vor allem aber seine Begründung: ‘Wissenschaft kennt keine Grenzen.’ Unverschämtheit offenbar auch nicht. Oder war doch nur an eine Döner-Akademie als Parallele zum MacDonald’s-Abitur gedacht?