Spätherbst der Printmedien

/ Kurt Bracharz

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, wo man die Presse die ‘vierte Macht im Staate’ nennen konnte, ohne dass jeder Zuhörer ‘Hä?’ gesagt hätte? Das war, als man montags aus dem SPIEGEL die neuesten deutschen Politskandale erfuhr, in den USA zwei Schreiber der ‘Washington Post’ einen Präsidenten zum Sturz brachten, ‘Profil’-Titel Betroffene nach dem Richter rufen ließen und jeder Zeitungsleser ein paar Journalisten nennen konnte, die nicht nur Agenturmeldungen umformulierten, sondern selbst recherchierten. Manche Zeitschriften hatten damals Auslandskorrespondenten und echte Reporter. Heute sind Profis, die mehr tun, als nachzuerzählen, was ein Politiker beim Pressetermin gesagt hat, rar geworden.

Die florierenden Gratiszeitungen sind im Winter immerhin zum Ausstopfen nasser Schuhe gut. Wer mag, kann sich vor dem Zusammenknüllen noch die Partybilder, die alten Witze und die ‘lustigen’ Tierbilder anschauen oder nachlesen, was illustre Persönlichkeiten wie Paris Hilton oder Amy Winehouse ausgewürgt haben.

Woran liegt’s? Klar nimmt der Anteil an Menschen zu, die zwar lesen können, aber nicht verstehen, was sie gelesen haben, doch darum geht’s nicht. Printmedien werden durch Anzeigen finanziert, und das Anzeigenaufkommen ist deutlich eingebrochen, einmal wegen der verbreiteten Krisenerwartungen, anderseits wegen der elektronischen Medien. Glotze und Internet sind nämlich dem Printmedium sein Feind (wie es ein heutiger Redakteur formulieren würde).

Kein Qualitätsblatt wird aus dem Grabe auferstehen, auch wenn es niemals so uninteressant sein konnte, wie es heute heimattümelnde Regionalzeitungen mit Exklusivreportagen von Möbelhauseröffnungen und Fotostrecken von Charity-Veranstaltungen sind. Und an die Stelle der früher gewitzten, vielleicht im Alter immer zynischer gewordenen Journalisten sind heute Kolumnisten getreten, die ihre beliebigen Meinungen vertreten wie früher die Reporter ihre Absätze. Aber jetzt höre ich auf, bevor Sie mich fragen, ob das hier nicht eine Kolumne ist.