Jesus und die Scharia

/ Kurt Bracharz

Die Idee der ‘Channel 4’-Verantwortlichen, ihre traditionell alternative Weihnachtsansprache zu jener der Queen ausgerechnet vom iranischen Präsidenten Ahmadinejad halten zu lassen, ist kaum noch mit britischer Exzentrizität zu erklären. Nächstes Jahr nimmt der Sender vielleicht gleich Hitler selbst – in England gibt es genug Spiritisten, die einen Kontakt herstellen können.

Die empörten Gegenstimmen beziehen sich auf Ahmadinejads wiederholte Äußerungen über die geplante Vernichtung Israels, seine Patronanz über die Holocaust-Leugner-Konferenz, das Verbot von Christbäumen in iranischen Kindergärten, die Schließung der BBC-Büros in Teheran usw. Wie es sich für eine Weihnachtsansprache gehört, sonderte Ahmadinejad hauptsächlich Sülze über Frieden, Liebe und Bruderschaft ab, allerdings sagte er auch etwas darüber, was geschähe, wenn Jesus heute auf der Welt wäre: der würde gegen Kriegstreiber und Tyrannen kämpfen. Darin steckt einige Ironie, denn der historische Jesus war im Unterschied zum paulinischen des Neuen Testaments wohl am ehesten ein jüdischer Nationalist, der sich heute als ersten Kriegstreiber und Tyrannen mit Sicherheit den aktuellen Haman vornehmen würde, also Ahmadinejad.

Eine subtilere Ironie liegt darin, dass einer der besten Sprüche des biblischen Jesus jener mit dem ersten Stein ist, den der werfen solle, der ohne Schuld ist. Der Iran hat der EU zwar schon 2002 zugesichert, keine Steinigungen mehr vorzunehmen, aber es fanden auch 2008 welche statt. Dabei werden Frauen bis zur Brust, Männer bis zur Hüfte eingegraben. Den ersten Stein wirft der Richter. Ein Mindestabstand und eine bestimmte Steingröße sind vorgeschrieben, damit die Opfer nicht zu schnell sterben. Kinder und Jugendliche (Mädchen sind ab 9 Jahren, Jungen ab 15 volljährig und strafmündig) werden nicht gesteinigt, sondern öffentlich aufgehängt, oft an Baukränen.

Was Jesus dazu wohl gesagt hätte?