Es rauschte im Blätterwald

Auch Leser, die vom Journalismus wenig halten, dürften in der letzten Maiwoche überrascht gewesen sein, wie viele Zeitungsschreiber sich gebärdeten, als müsse die Geschichte der BRD neu geschrieben werden, weil sich Karl-Heinz Kurras jetzt als Stasi-Spitzel erwiesen hat.

Dabei muss man heute nicht nur Jugendlichen erklären, um wen es da geht. Der Westberliner Polizeiobermeister Kurras tötete am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration gegen den Berlin-Besuch des Schahs von Persien den Studenten Benno Ohnesorg durch einen Kopfschuss. In drei Gerichtsverfahren wurde der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Kurras freigesprochen. Er behauptete, von zehn Personen umringt, niedergeschlagen und misshandelt worden zu sein, worauf er im Liegen einen Warnschuss sowie einen ungezielten Schuss abgegeben habe.

Keiner der 60 vom Gericht aufgerufenen Zeugen hatte diese Schlägerei gesehen und ein Polizeikollege berichtete 1997 (!), er habe unmittelbar hinter Kurras gestanden, als dieser gezielt auf Ohnesorg schoss. Er habe Kurras angebrüllt, weil er Angst hatte, dieser würde versehentlich einen Kollegen töten. Kurras habe ‘Die ist mir losgegangen’ geantwortet. Wozu man wissen muss, dass der heute 82-jährige Kurras sein Leben lang ein extremer Waffenfanatiker und damals einer der besten Schützen der Berliner Polizei war. Nach Ohnesorgs Tod prahlte er: ‘Wenn ich gezielt geschossen hätte, wie es meine Pflicht gewesen wäre, wären mindestens 18 Mann tot gewesen. Ich schieße mit der Linken ebenso gut wie mit der Rechten.’

Die Exekution des Benno Ohnesorg am 2. Juni gilt monokausal Denkenden als Auslöser der Studentenbewegung und ihrer Entwicklungen bis hin zur RAF. Allerdings glauben nicht einmal die, dass die Stasi ihrem Spitzel Kurras einen Mordbefehl zwecks Eskalation gab. Die Stasi war nach Aktenlage eher befremdet von ihrem sonst recht tüchtigen Agenten, der monatlich für 300 bis 400 Mark Munition kaufte und das MfS öfters um bestimmte Ostblock-Waffen bat, die ihm stets verweigert wurden.