Ein kurzes Kalifat

/ Kurt Bracharz

Mitte August liquidierte die Hamas die Führung einer mit al-Qaida sympathisierenden Islamistengruppe. Da palästinensische Gruppierungen sich ständig gegenseitig bekämpfen, nehmen viele Beobachter das mit einem Achselzucken hin. Ein näherer Blick lohnt sich jedoch.

Scheich Abdel-Latif Mussa, 47, der Führer des auf ca. 1000 Anhänger geschätzten Dschihad al-Salafi mit seinem bewaffneten Flügel Dschund Ansar Allah (Armee der Gottesfürchtigen), hatte am 14. August bei seinem Freitagsgebet in der Ibn-Taimija-Moschee in Rafah ein islamisches Emirat im Gaza-Streifen ausgerufen, weil die Hamas sich nicht an die Scharia halte, sondern wie eine ‘weltliche Regierung’ handle. Im Gaza-Krieg hatte der Dschihad al-Salafi nicht an der Seite der Hamas gegen die Israelis kämpfen wollen, weil das ein ‘Krieg von Häretikern gegen Häretiker’ sei.

Am Freitag war der Scheich wie üblich von bewaffneten und maskierten Kämpfern umgeben, und die Moschee wurde von Hamas-Polizisten und vom bewaffneten Flügel der Hamas, den Issedin-al-Kassam-Brigaden, umstellt. Darüber, wie es dann zu den 28 Toten und über 100 Verletzten kam, gibt es wie immer unterschiedliche Versionen; geschossen wurde jedenfalls schon bei der Moschee, am Samstag flohen der Scheich und seine Anhänger in sein Haus. Dort kam es zu einer Explosion, die unter anderen den Hamas-Unterhändler Abu Dschibril Schemali tötete. Abdel-Latif Mussa starb entweder durch Hamas-Gewehre (Behauptung seiner Anhänger) oder durch seinen Sprengstoffgürtel (Darstellung der Hamas).

Die Hamas verhaftete 90 seiner Anhänger und erklärte, sie werde weiterhin gegen jede ähnliche Gruppierung mit aller Gewalt vorgehen. Die Reste des Dschihad al-Salafi zogen den Schwanz ein und nannten die Hamas-Reaktion auf Mussas Kalifats-Idee nur ‘übereilt’, dafür bedrohen jetzt im Internet neue ‘Islamische Schwerter der Gerechtigkeit’ solche ‘Ungläubige’ wie den Hamas-Ministerpräsidenten Ismael Hanija. Die Hamas wird vom schiitischen Iran gesponsert, al-Qaida ist sunnitisch.