Leichen-Liebchens Kadaverkitsch

/ Kurt Bracharz

Vor einigen Jahren wurden Gunther von Hagens’ ‘Körperwelten’ im Wiener Prater-Gelände ausgestellt, einem passenden Ort, hatte es hier doch früher schon erotische Völkerschauen, Präuschers Sexmuseum und ähnlich gelagerte Institutionen gegeben. Im Prater musste man damals nicht an der Kasse Schlange stehen, deshalb sah ich mir die Sache an, obwohl schon die Werbung dafür einen kräftigen Widerwillen bei mir hervorgerufen hatte.

Dieser Widerwille bezog sich weniger auf die Exhibition von Kadavern und Leichen (früher war auch in unseren Friedhofs-Leichenhallen bei geöffnetem Sarg öffentlich aufgebahrt worden) als vielmehr auf die künstlerische und aufklärerische Attitüde dieses Herrn von Hagens mit seinem Beuys-Hut und seinem Gerede von der Demokratisierung der Anatomie und dem neuen Körperbild, das seine Präparate angeblich vermittelten.

Spätestens bei der Betrachtung eines plastinierten Schachspielers vor seinem Brett war mir klar, dass in einer der nächsten Ausstellungen kopulierende Leichen zu sehen sein würden. Die ganze Schaustellung lief schon damals auf Pornographie hinaus, und mittlerweile hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Ausstellung eines plastinierten Geschlechtsaktes verboten, übrigens nach dem Bestattungsgesetz. Ich denke, dass Gunther Gerhard Liebchen es sehr genossen hat, bei seiner ersten Heirat den Namen seiner Frau, von Hagens, annehmen zu können, weil er sonst ja wohl alsbald ‘Leichen-Liebchen’ genannt worden wäre.

Als mit der Fotografie die erste Revolution auf dem Pornomarkt kam (vorher konnte der Geschlechtsakt ja nur von Zeichnern und Malern festgehalten werden, die wenigstens eine minimale künstlerische Ausbildung hatten, jetzt brauchte man nur noch eine Kamera), verkaufte man Abbildungen von sexuellen Akten entweder als Kunst oder als medizinische Aufklärung. Diese Heuchelei wiederholt sich jetzt bei den Plastinaten. Von Hagens arbeitet schon an der Motorisierung seiner Präparate. ‘An die Dose angeschlossen, / fickt der Leichnam unverdrossen.’