Aufstand der Nacktmulle

Vor ungefähr 220 Jahren notierte Georg Christoph Lichtenberg in seinen später als ‘Sudelbücher’ veröffentlichten Aufzeichnungen: ‘Es ist eine schöne Ehre, die die Frauenzimmer haben, die einen halben Zoll vom Arsch abliegt!’ Gemeint war mit diesem Spott die Sexualmoral seiner Zeit, in der die von den Männern konzipierte ‘Ehre’ einer Frau eine unmittelbare Funktion ihrer Genitalien war, also z. B. eine Braut unbedingt ein intaktes Hymen haben oder wenigstens vortäuschen musste, ganz gleichgültig, wie es sonst um sie bestellt war.

Die aktuelle Debatte um die Nacktscanner zeigt einmal mehr, dass es einen sexualmoralischen Rollback in Europa gibt, den man auch an anderen Symptomen wie dem zahlenmässigen Rückgang der FKK-Strände oder dem tatsächlich erfolgenden Vollzug von Oben-ohne-Verboten sehen kann (die es zwar vielerorts gab, deren Verletzung aber jahrelang toleriert wurde), oder in den Hallenbädern an der Zunahme von Leuten, die in den nach Geschlechtern getrennten Waschräumen in Badebekleidung duschen.

Und nun diese Debatte über die Nacktscanner: Es verletze die Persönlichkeitsrechte, wenn man auf einem Computerbildschirm ‘nackt’ gesehen würde! Geht’s noch? Das muss eine schöne Persönlichkeit sein, die einen halben Zoll vom Arsch abliegt! Wenn man das Gejammer liest, könnte man meinen, die Bilder würden zur Unterhaltung der Mitreisenden auf Flachbildschirme in die Abflughalle übertragen. Dabei hätte zunächst eine einzige Person des gleichen Geschlechts das Scannerbild betrachtet, und nach dem universalen Aufschrei erledigt das jetzt die Maschine selbst, für die man den Genitalbereich nicht verpixeln müsste, weil sie weder Längenvergleiche anstellt noch vom Spechteln geil wird.

In den USA hätte der Protest niemanden gewundert, dort dürfen auch kleine Kinder nicht nackt ins Schwimmbad und Männer, die an einen Baum pissen, werden wegen ‘unsittlicher Entblössung in der Öffentlichkeit’ eingelocht. Das konnte man in Europa bisher belächeln, aber vielleicht nicht mehr lange.