Ein folgenschwerer Irrtum

Der Titel der Coverstory des Magazins der ‘Süddeutschen Zeitung’ vom 5. Februar ist eine kurze Frage: ‘Neda?’ Selbst eine knappe Antwort fällt länger aus: ‘Ja und nein!’ Die Frau auf dem Bild heißt zwar Neda, ist aber nicht jene Neda, nach der in diesem Titel gefragt wird.

Am 20. Juni 2009 wird die 26-jährige Studentin Neda Agha-Soltan der Islamic Azad University in Teheran bei den Unruhen um Ahmadinedschads Wiederwahl niedergeschossen und stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Ermordung der als apolitisch bekannten Studentin macht sie zur Märtyrerin, in den darauf folgenden Tagen werden Neda-Fotos an Straßenaltären aufgestellt, auf T-Shirts gedruckt und bei Demonstrationen mitgetragen.

Das Foto zeigt jedoch Neda Soltani, 32 Jahre alt, Dozentin für englische Literatur an derselben Universität. Jemand hatte noch in der Nacht zum 21. Juni das Bild aus ihrem Facebook-Profil kopiert und irrtümlich als das der getöteten Studentin verschickt, woraufhin das falsche Foto weltweit von den wichtigsten Fernsehsendern und Zeitungen veröffentlicht wurde – und zum Teil bis heute verwendet wird (die SZ erwähnt als Beispiele Spiegel Online, die New York Times, die Nachrichtenagentur AFP und CNN. Alle Bemühungen Neda Soltanis ab dem 21. Juni, den Irrtum zu korrigieren, scheitern.

Als sie ihr Bild von der Facebook-Seite löscht, vermuten Blogger eine Zensur der Behörden und multiplizieren das falsche Foto mittels Twitter und Facebook. Auch die Veröffentlichung eines Fotos von Neda Agha-Soltan durch deren Eltern nützt nun nichts mehr, die Regimekritiker beharren auf dem falschen Bild. Als die iranische Regierung Neda Soltani unter Druck setzt, weil die Demonstranten als Fäscher hingestellt werden sollen, flieht die Frau über Griechenland nach Deutschland, wo ihr Asylverfahren nun seit einem halben Jahr läuft. Handelt es sich da um einen schwierigen Fall?

Bedenkenswert ist jedenfalls die Rolle, welche die dubiosen Kommunikationsformen Facebook, Twitter und Blog in dieser Geschichte spielen.