Der Tinner-Plot

/ Kurt Bracharz

Mein Verleger möchte Thriller von mir. Ich erwidere, ich hätte nichts gegen das Genre, bevorzugte jedoch als Leser wie als potentieller Schreiber realistische Romane. Solche könne ich aber nicht liefern, weil ich nur Vorarlberg und seine Umgebung gut genug kenne, um nicht wild phantasieren zu müssen, und hier tue sich kaum etwas, das als Thriller-Plot glaubwürdig wäre.

Und nun die Entwicklungen in der Affäre Tinner! Urs Tinner wird von Wikipedia als ‘Schweizer Agent, der nachrichtendienstliche Tätigkeiten ausübte’, bezeichnet. Er, sein Vater und sein Bruder sollen wegen Geldwäsche und Verstößen gegen das Kriegsmaterialgesetz angeklagt werden, weil sie zum Atomschmuggel-Netzwerk des ‘Vaters der islamischen Atombombe’ Abdul Kadir Khan gehörten und auch Muammar al-Gaddafi beliefern wollten. Im Ermittlungsverfahren wurden detaillierte Pläne zum Bau vom Atomwaffen und Gaszentrifugen für die Urananreicherung bei den Tinners gefunden.

Ob die Schweizerische Bundesanwaltschaft sich jetzt endlich für einen Prozess entscheidet, ist fraglich, weil die Tinners spätestens seit 2003, möglicherweise aber auch schon seit 1996 für die CIA tätig waren, und Christoph Blocher als Justizminister im November 2007 unter amerikanischem Druck die Vernichtung des größten Teils der Unterlagen anordnete. Als die Tinners drei Jahre zuvor verhaftet worden waren, hatte die CIA offenbar völlig ungestört ihre Wohnung durchsucht und dort Unterlagen teils vernichtet, teils kopiert, und 2006 bemerkte das IT-Zentrum der Bundespolizei in Zürich den Hacker-Angriff einer irakischen Firma mit Pentagon-Beziehungen auf die Tinner-Daten auf ihren Servern. Der Bundesrat hat dem Untersuchungsrichter mittlerweile untersagt, gegen die Tinners wegen Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst zu ermitteln.

Ein Dokumentarfilm über Urs Tinner hieß ‘Der Spion, der aus dem Rheintal kam’. Ich muss mir eine neue Ausrede einfallen lassen, wenn ich wieder nach einem Thriller gefragt werde. Die vom ländlichen Idyll zieht nicht mehr.