Gott liebt reuige Sünder

/ Kurt Bracharz

Ein verheirateter Bürgermeister, natürlich von einer konservativen Partei mit ausgeprägter Familienideologie und bei jeder Sonntagsmesse mit nach oben verdrehten Augen in der ersten Bank, fliegt nach jahrelangem Fremdgehen mit einem weiblichen Gemeindevertretungsmitglied auf – eigentlich ist das ein Komödienthema für eine Bauernbühne, aber selbst da käme einem der Plot als zu einfach gestrickt vor.

In Feldkirch – kein Dorf in Tirol und Bayern, sondern die zweitgrößte Stadt eines Industrielandes – konnte man wegen des mit der Affäre verbundenen Vergewaltigungsvorwurfs nicht herzlich über Tartuffes Pech lachen. Da haben die Medien lieber gleich auf Rührseligkeit gemacht, nach dem Motto, es gebe jetzt nur noch Verlierer, ganz gleich, wie das Gerichtsurteil ausfalle. Dieses war übrigens hundertprozentig vorhersehbar: in dubio pro reo, was sonst? Es musste ja bei Aussage gegen Aussage bleiben, man fragt sich, worüber die ‘Zeugen’ befragt wurden, beim Akt waren sie nicht dabei und am nächsten Morgen gab es keine sichtbaren Spuren des Geschehens.

Die Richterin fällte ein pseudo-salomonisches Urteil, dass nämlich die Frau sich subjektiv missbraucht gefühlt, der Mann ihren Widerstand aber nicht bemerkt oder missdeutet hätte. Damit können beide nicht zufrieden sein, weder der also nur mangels Beweisen freigesprochene Bürgermeister, der jetzt so tut, als sei er ganz klar von jeglichem Verdacht befreit worden, noch die Frau, die nicht einmal moralische Genugtuung bekommt, die aber in den Postings, in denen sie von Anfang an namentlich genannt wurde, weiterhin durch den Dreck gezogen wird.

Frauen, die auf harten Sex stehen, kennen nun im sonst eher verschlafen wirkenden Feldkirch eine neue erste Adresse, schließlich erklärte der Bürgermeister ein Verhalten für ‘Leidenschaft’, das man sonst bestenfalls für gefühllose Grobheit halten müsste. Nebenbei: Im Bauerntheater hätte es der Regisseur übertrieben gefunden, des Bürgermeisters Frau ständig das Händchen ihres Gatten halten zu lassen.