Quo vadis, Muammar?

/ Kurt Bracharz

Mein Girokonto habe ich seit über vierzig Jahren bei derselben Bank, wo es seinerzeit, bei meinem ersten Job nach der Matura, als Gehaltskonto eingerichtet wurde. Da ich nicht zu den Pfennigfuchsern gehöre, die viel Zeit damit verbringen mögen, Bankspesen etc. akribisch zu vergleichen, habe ich mich nie um eine Alternative gekümmert, mit einer einzigen Ausnahme, als nämlich Unicredit ‘meine’ Bank übernahm, ausgerechnet Unicredit, zu dessen Großaktionären der Colonel Gaddafi zählt. Der war mir nämlich schon lange ein Dorn im Auge.

Dass Gaddafi sich dank Libyens Ölreichtums beim Westen von seinen Mordaufträgen in Berlin und Lockerbie einfach freikaufen konnte, entsprach zwar dem biblischen Talionsprinzip (das besagte, dass nicht jeder Tote Blutrache erforderte, sondern dass man die Sache eben auch finanziell regeln konnte, in archaischen Zeiten ein Fortschritt), aber nicht meinem Gusto.

1986 glaubte ich, Ronald Reagan werde mit seinem (sinngemäßen) Befehl ‘Bring me the head of Muammar Gaddafi!’ mehr Erfolg haben , als es dann tatsächlich der Fall war. Hätten die US-Geheimdienste damals nicht zum x-ten Mal versagt, hätte ein Tomahawk den Colonel skalpiert, aber so – ohne konkrete Angaben, wo Gaddafi sein Zelt dieses Mal aufgeschlagen hatte – gab einmal mehr nur Kollateralschäden. Vor ein paar Tagen flogen sie wieder, die Tomahawk-Raketen, und der Colonel lebt noch immer.

Es gibt übrigens noch eine Bibel-Connection in der Sache: 2010 behaupteten im israelischen TV-Sender ‘Channel 2’ zwei Frauen, Gaddafis Großmutter mütterlicherseits sei eine Jüdin gewesen, die in zweiter Ehe einen muslimischen Scheich geheiratet habe. Wenn das stimmt, könnte Muammar Gaddafi als halachischer Jude nach dem Rückkehrgesetz ein Bürger Israels werden, statt zum Beispiel sein Exil in Venezuela antreten zu müssen. Warum sollte der selbsternannte ‘Führer der Führer Arabiens, der König der Könige Afrikas, der Imam aller Muslime’ diese Gelegenheit nicht ergreifen? Er hatte schon bizarrere Ideen.