Anders als Neger, Fräulein oder Lappe

/ Kurt Bracharz

Der in Berlin erscheinenden Tageszeitung ‘Die Welt’ war das Thema am 12. Januar eine ganze Seite wert, das Wiederkäuen in dem österreichischen Blatt ‘Die Presse’ bekam auch noch fast ein Seitenviertel Raum, in die Regionalblättern schaffte es die Wiedergabe des Inhalts von Rolf Bauerdicks Text aber nicht mehr, der im ‘Welt’-Original mit ‘Wir sind Zigeuner!’ übertitelt war. Zigeuner! Ja, darf man das denn noch (oder schon wieder) sagen?

Der Aufhänger des Artikels war ein aktuelles Vorkommnis in dem rumänischen Weiler Rosia, wo eine Scuola Waldorf – also eine Alternativschule – für Zigeunerkinder gegründet worden war. Die Eltern aus den Lehmhütten im Unterdorf schickten ihre Kinder zunächst auch tatsächlich hin, damit sie dort Lesen, Schreiben und Rechnen lernen sollten, meldeten sie aber nach kurzer Zeit wieder ab. Was war geschehen? Die Presse hatte begeistert über die Waldorfschule zur Förderung der Romakinder berichtet.

Als die Eltern von dieser bei uns als einzig politisch korrekt geltenden Formulierung erfuhren, platzte ihnen der Kragen: ‘Wären wir Roma, würden ihre Chefs die Geldeintreiber schicken und wir müssten Tribut zahlen. Aber wir sind keine Roma. Wir sind Tzigani.’ Der Artikel zitiert auch den Bulibascha, das Oberhaupt der rumänischen Zigeunerfamilien: ‘Sagst du zu mir Rom, dann beleidigst du mich. Nennst du mich Zigeuner, dann spricht du mir zu Herzen.’

Österreichischen Fernsehzuschauern, welche ständig die Formel ‘Sinti und Roma’ im Ohr haben, wird es auch schon aufgefallen sein: Burgenländische ‘Roma’ bezeichnen sich im Gespräch selbst immer als ‘Zigeuner’, und auch ungarische Clans wollen dezidiert ‘Cigány’ genannt werden.

Die Gegenposition nimmt der Vorsitzende des Zentralrats der deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, ein, der das Wort ‘Zigeuner’ als ‘beleidigende Fremdbezeichnung der Dominanzgesellschaft’ sieht. Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Zentralrats haben keine Probleme mit dem richtigen Wort, denn sie sind Gadjes, also Nicht-Roma. Beim Zentralrat ist alles ganz einfach: Wer ‘Zigeuner’ statt ‘Sinti und Roma’ sagt, kriegt kein Geld, während für die politisch Korrekten Fördermittel und Projektbudges fließen.

Auf Wikipedia kann man derzeit zur richtigen Wortwahl unter anderem Folgendes lesen: ‘Im mehrheitsgesellschaftlichen, unreflektierten Alltagsdiskurs – hier mit diffusem und nicht unbedingt ethnischem Inhalt, aber auch im wissenschaftlichen Raum – hier ethnisch-kulturell ausschließlich auf Roma im Sinne der Gesamtethnie bezogen – war das Bemühen um eine neue sprachliche Konvention nur begrenzt erfolgreich. Anders als ‘Neger’, ‘Fräulein’ oder ‘Lappe’ wurde ‘Zigeuner’ dort durch die respektierenden Eigenbezeichnungen nicht zur Gänze abgelöst.’