Kurzer Prozess

/ Kurt Bracharz

Der Volkszorn verlangte einen kurzen Prozess (früher vulgär auf den Nenner ‘Rübe ab’ gebracht), und man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass er ihn auch bekommen hat, allerdings im buchstäblichen Sinn (der Sonntags-‘Kurier’ formulierte: ‘Der Mordprozess um den Tod des dreijährigen Cain wurde am Freitag im Landesgericht Feldkirch nur so heruntergespult, ohne sich noch mit offenen Fragen aufzuhalten’).

Die Medien, sonst im juristischen Bereich mittlerweile meistens übervorsichtig, verzichteten auf ihr political-correctness-Lieblingswort ‘vermutlich’ (manche verwechseln es auch mit ‘vermeintlich’), obwohl das Urteil noch keine Rechtskraft erlangt hat. Sie schrieben allerdings lieber vom ‘Peiniger’ als vom ‘Mörder’ Cains.

Der § 75 des Österreichischen Strafgesetzbuches lautet: ‘Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.’ Nach österreichischem Recht ist jede vorsätzliche Tötung ein Mord (der § 7 Absatz 1 des StGB besagt, dass nur vorsätzliches Handeln strafbar sei, ‘wenn das Gesetz nicht anderes bestimmt’), während z. B. das deutsche oder das Schweizer Strafrecht für Mord ‘verwerfliche Motive’ wie Habgier oder Mordlust verlangen. Aber auch in Österreich muss der Täter es zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass seine Handlung zum Tod eines Menschen führt.

So grausam die Handlungen des Milosav M. gegenüber dem Kind auch waren und so schwach seine Verteidigungsargumente klingen (z. B. dass er auf Grund seiner Muskelerkrankung die Stärke der Schläge nicht habe abschätzen können), ist es doch unwahrscheinlich, dass er das Kind vorsätzlich töten wollte. Die Justiz soll auch bei noch so widerlichen Taten nicht Rache üben, sondern muss nach dem Gesetz entscheiden, das bekanntlich weder mit dem Volksempfinden noch mit Gerechtigkeit im moralischen Sinne zu tun hat. Ob das in diesem Prozess wirklich der Fall war, wird sich in den nächsten Instanzen zeigen.