George kam nicht nach Bengasi

/ Kurt Bracharz

Die seriöseren Medien sind derzeit dabei, das Knäuel von Falschmeldungen, das sie zunächst zum Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi präsentiert hatten, wieder zu entwirren. Zuerst hieß es ja, die Täter seien muslimische Protestierende gegen einen von einem Israeli gedrehten Anti-Mohammed-Film gewesen. Wie 2006 nach den Karikaturen des ‘Jyllands-Posten’ (bzw. nach deren Verbreitung durch zwei dänische Imame in Nordafrika, wo an sich nicht so viele Lesefähige dänische Provinzzeitungen zu Gesicht bekommen hätten) gab es auch jetzt wieder eine Protestwelle, diesmal gegen einen Film, den so gut wie niemand gesehen hatte, für den aber seit Juli ein Trailer auf YouTube stand.

Erst eine arabische Fassung dieses Trailers veranlasste einen ägyptischen Fernsehsender zu einer Nachricht über den nach wie vor ungesehenen Film, was dann Proteste in mehreren nordafrikanischen Ländern auslöste – der Angriff von Bengasi mit der Ermordung des Botschafters Christopher Stevens und dreier seiner Mitarbeiter dürfte damit aber nichts zu tun gehabt haben, denn er wurde von salafistischen ‘Profis’ mit schweren Waffen ausgeführt, höchstwahrscheinlich von der in Bengasi ansäßigen Ansar al-Scharia des Scheich Muhammad al-Zahawi.

Und der ‘Israeli’ (gemeint war ‘der Jude’), der den Film gedreht haben sollte, hat sich mittlerweile als ein ägyptischer Betrüger in Kalifornien herausgestellt, ein Kopte namens Nakoula Basseley Nakoula mit mehreren Alias-Namen, Sozialversicherungsnummern und Kreditkarten. Der Amateurfilm soll unter dem Decknamen ‘Desert Warrior’ mit einem Antihelden namens ‘George’ gedreht worden sein, aus dem später Mohammed wurde, als das Machwerk plötzlich ‘The Innocence of Muslims’ hieß. Nakoulas Filmfirma heißt ‘Media for Christ’, unterstützt wurde er von dem evangelikalen Christen Steve Klein, dem Pastor Terry Jones, der schon einmal durch den Vorschlag zur Koranverbrennung weltweit bekannt geworden ist, und dem koptischen Aktivisten Morris Sadek, drei gerichtsnotorischen Islam-Hassern.

Wie üblich hatte es außerhalb der USA sofort eine Verschwörungstheorie gegeben, dass ‘die Juden’ die Muslime provozierten, um einen weiteren Vorwand für einen Angriff auf den Iran zu haben. Und wie üblich wird diese Theorie sich noch lange halten, ganz gleich, was mit den vier involvierten ‘Christen’ geschieht. Zumindest in den USA fällt die Publikation ihres Films aber ohnehin unter die Meinungsfreiheit.