Cry for Paul, Argentina!

/ Kurt Bracharz

Im Zuge der Diskussion, ob Griechenland in der Eurozone bleiben, zur Drachme zurückkehren oder lieber gleich Staatskonkurs anmelden solle, wurde in den Medien in den letzten Monaten immer wieder einmal auf das Beispiel Argentinien verwiesen, das seine Staatspleite angeblich gut überstanden habe. Nach zwei mit neun von zehn der Schuldner vereinbarten ‘Haircuts’ 2005 und 2010 auf 30 Prozent der ursprünglichen Beträge sind die letzten Schulden aus dem argentinischen 95-Milliarden-Dollar-Staatsbankrott von 2001 in diesem Jahr beglichen worden, was entsprechend gefeiert wurde.

Es waren aber nur nach Ansicht der Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die letzten Schulden, denn da sind ja noch immer die beinahe zehn Prozent Umschuldungsverweigerer (‘Holdouts’) von 2001, welche die ganzen Jahre hindurch auf der Begleichung ihrer vollen Ansprüche bestanden haben.

Einer davon ist der Wall-Street-Finanzhai Paul Singer, dessen auf den Cayman Islands angesiedelte Hedgefondsgruppe Elliott Management die sogenannte ‘Aasgeier’-Strategie verfolgt, Schulden zu Dumpingpreisen aufzukaufen und dann in voller Höhe einzutreiben. Bei Großkonzernpleiten wie TWA oder Enron ist Singers Rechnung voll aufgegangen, und jetzt hat er vom Southern District Court in Manhattan ein Urteil erlangt, dass Argentinien seiner von NML Capital und Aurelius Capital angeführten Hedgefonds-Gruppe 1,3 Milliarden Dollar zahlen muss.

Um das südamerikanische Land zur Zahlung zu zwingen, entschied der New Yorker Bezirksrichter Thomas Griesa, Argentinien dürfe jenen Gläubigern, die dem Haircut zugestimmt hatten und von der Bank of New York Mellon regelmäßig Raten überwiesen bekamen, weitere Rückzahlungen erst leisten, wenn Singers Hedgefonds voll befriedigt seien. Ein souveräner Staat wie Argentinien könnte das Urteil eines New Yorker Bezirksgerichts ignorieren, aber eine US-amerikanische Bank wie BNY Mellon kann das nicht. Eine Überweisung von 3 Mrd Dollar an die restrukturierten Bonds wird am 15. Dezember fällig, und die Bank dürfte sie nicht ausführen, wenn nicht vorher die 1,3 Mrd Dollar an Singer gezahlt worden sind.

Wenn Argentinien Singer aber tatsächlich auszahlt, werden andere Holdouts natürlich ebenfalls Klagen einbringen und vermutlich würden sich viele Inhaber geplatzter Staatsbonds (darunter wären dann auch griechische Milliarden) an das New Yorker Gericht wenden. Ein Anwalt von Gläubigern, welche auf zwei Drittel ihrer Forderungen verzichtet hatten, kommentierte die Ereignisse so: ‘Angesichts der offensichtlichen Enttäuschung von Richter Griesa mit der Republik Argentinien hatten wir ein solches Urteil erwartet. Was wir nicht erwartet haben, war die Missachtung der Rechte von unschuldigen Anleiheinhabern, die an der Umschuldung teilgenommen haben.’

Argentinien könnte die 1,3 Mrd für den milliardenschweren Finanzhai aufbringen, wird das aber nicht tun, sondern zum Obersten US-Gerichtshof gehen. Wenn am 15. die anderen Gläubiger nicht bedient werden, ist ein neuerlicher Staatsbankrott des Landes möglich.