Newsweek sagt Good-bye

/ Kurt Bracharz

Während die Einstellung einiger Zeitungen und Zeitschriften in der letzten Zeit wie business as usual anmutete – es gibt schließlich auch Neugründungen, die eine Zukunft zu haben scheinen – , ist das unmittelbar bevorstehende Ende der gedruckten Ausgabe von ‘Newsweek’ durchaus bemerkenswert. Das am 17. Februar 1933 erstmals veröffentlichte Magazin ist also nur 80 Jahre alt geworden. Wie auch immer die Weiterführung von ‘Newsweek’ in elektronischen Medien aussehen mag, mit dem an den Verkaufsständen stets neben seinem ursprünglichen Vorbild ‘Time’ hängenden Wochenmagazin wird sie nicht zu vergleichen sein, Papier ist doch etwas ganz anderes als das ephemere Medium Internet.

Ob die Ausgabe vom 24. Dezember 2012 die letzte oder die vorletzte Nummer ist, geht aus dem Editorial nicht klar hervor (‘When Newsweek goes all digital in January 2013 …'), aber in einer Hinsicht ist sie auffällig geraten: Sie macht den allgemein üblichen Religionsrummel der Weihnachtsnummern nicht mit. Die meisten wöchentlich erscheinenden Zeitschriften setzen in diesen Tagen Religiöses oder zumindest Menschelndes auf den Titel, der SPIEGEL etwa einen Essay über die neurologischen Grundlagen der Religiosität, das ‘Profil’ den ‘Menschen des Jahres’, ‘Time’ macht mit Obama als ‘Man of the Year’ auf (aber wenigstens nicht mit dem Foto, auf dem er eine Träne zerdrückt). In den Vorjahren ging es um den historischen Jesus, um seine angebliche Lebensgefährtin oder wenigstens um den Stern von Bethlehem (eine Supernova oder doch nur eine ungewöhnliche Planetenkonstellation?) und um ähnliche Themen aus der Mottenkiste. ‘Newsweek’ war da keine Ausnahme, was bei einem US-amerikanischen Magazin für WASPs auch ungewöhnlich gewesen wäre.

Dieses Jahr hingegen pfiff das Magazin auf den verordneten Weihnachtsfrieden und knallte ein düsteres Bild von Navy Seals mit den Waffen im Anschlag vor Bin Ladens Villa auf den Titel. Überschrift: ‘How Zero Dark Thirty Predicts The Future.’ Darüber standen mit den beiden Anreißern ‘Siberia’s Doomsday Sects’ und ‘Is Atatürk History?’ zwei an sich religiöse Themen (die russische Rasputin-Tradition und die fortschreitende Islamisierung der Türkei), aber keine wie üblich weihnachtlich-tröstlichen. Der Amoklauf in der Sandy Hook Elementary School bekam im Zeitungsinneren sechs Seiten, dabei auch eine Großaufnahme von Obamas Finger am Augenlid. Die anderen Artikel sind nicht weiter auffällig, also zurück zum martialischen Titel. ‘Zero Dark Thirty’ heißt der Film von Kathryn Bigelow über die Jagd auf Osama bin Laden. Im Blattinneren ist der Titel des Aufmachers ‘Will Obama End The War On Terror?’ in ein Infrarot-Foto von vier vor einer Wand kauernden halbnackten, gefesselten Gefangenen mit Augenbinden gesetzt.

Man darf schon annehmen, dass diese neue Düsterkeit damit zu tun hat, dass ‘Newsweek’ eingestellt wird und Chefredakteur und Art Director sich dachten, scheiß drauf, wir müssen diesmal keinen Verkaufsrekord mehr einstellen, gönnen wir uns doch eine richtig harte Abschiedsnummer, die keiner von unserer bigotten Klientel kaufen wird. Derselbe Effekt war etwas schwächer auch bei anderen scheidenden Chefredakteuren festzustellen und bewirkte in allen Fällen einen Qualitätssprung – aber halt leider nur einen einmaligen.