Von Goethe zu Charbonnier

/ Kurt Bracharz

Jetzt ist es doch schon fünf Tage her, dass das französische Satireblatt ‘Charlie Hebdo’ seinen Comic-Sonderband ‘La vie de Mahomet’ herausgebracht hat, und man hat noch nichts davon gelesen oder gesehen, dass erregte Moslems in Nordafrika französische Botschaften abgefackelt oder wenigstens Tricoloren verbrannt hätten. Offenbar braucht es dazu einen Katalysator.

Im Fall der Mohammed-Karikaturen des ‘Jyllands Posten’ waren es zwei in Dänemark tätige Imame, die zu einer islamischen Konferenz die dänischen Karikaturen mitgenommen und ein paar andere – darunter Mohammed als Schwein dargestellt – dazugepackt hatten, um die Stimmung ordentlich anheizen zu können. Was dann ja auch gelang, es gab Tote und Verletzte. Wahrscheinlich hat diesmal (noch?) niemand den Reitenden Boten gespielt und die Moslembrüder und Salafisten, die in Ägypten, Tunesien und anderen Staaten derzeit wichtigere Probleme haben, wissen nichts von ‘Charlie Hebdo’ oder es kümmert sie nicht, was da in Paris zusammengezeichnet worden ist.

Oder es ist tatsächlich so, wie es der Herausgeber der Zeitschrift dargestellt hat: ‘La vie de Mahomet’ sei ‘völlig halal’, ‘vom Islam autorisiert’ und ‘eine seriöse Veröffentlichung’. Zumindest die Autorisierung durch den ‘Islam’ ist nicht gut möglich, weil es im Islam ja kein Pendant zum Papst und auch keine weltweit gültige Hierarchie darunter gibt, niemand kann eine Publikation für Schiiten, Sunniten, Wahabiten, Alewiten etc. gemeinsam autorisieren. So gilt ja schon das Verbot der Abbildung des Propheten nicht überall (und auch nicht in der Geschichte des Islam, es gibt alte indische Malereien aus dem heutigen Pakistan, die Mohammed darstellen).

Aktuell wird allerdings eine Mehrheit der sich für rechtgläubig Haltenden der Meinung sein, das Verbot bestehe, und Stéphane Charbonnier, Herausgeber von ‘Charlie Hebdo’ und Zeichner des Comics, hat auch noch in seinem gewohnt kruden Grafikstil den Propheten als gelbes Männchen mit Knollennase gezeichnet. Im Editorial schrieb er dazu: ‘Malst du einen glorreichen Mohammed, stirbst du, zeichnest du ihn lustig, stirbst du.’ Angesichts dieses Mangels an Alternativen hat Charbonnier sich gleich für die lustige Variante entschieden. Eine direkte Kausalität fürchtet er auch nicht: ‘Religiöse Extremisten warten nicht auf uns, um gewalttätig zu sein. Sie brauchen uns nicht als Vorwand.’

Überflüssig ist Charbonniers Publikation allerdings so oder so. Es fängt in Europa mit Mohammed jetzt so an, wie es seit Jahrhunderten mit Jesus gegangen ist, über welchen Goethe am 4. September 1788 an Herder schrieb: ‘Es bleibt wahr: Das Märchen von Christus ist Ursache, daß die Welt noch 10.000 Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstand kommt, weil es ebensoviel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffs braucht, um es zu verteidigen, als es zu bestreiten.’ Und am 6. April 1782 an Charlotte von Stein: ‘Die Geschichte des guten Jesus habe ich nun so satt, daß ich sie von keinem als allenfalls von ihm selbst hören möchte …’

So geht’s mir allmählich mit Mohammed.