Find ich nicht gut

/ Kurt Bracharz

Die Kolumnisten der regionalen Tageszeitung ‘Vorarlberger Nachrichten’ werden nicht allzu oft in anderen Medien zitiert, aber die folgenden Sätze in der Ausgabe vom 30. März bringen ein interessantes Phänomen der jüngsten Zeit verbal auf den Punkt: ‘Was für ein Anfang. Verwundert reiben wir uns die Augen. Wie konnte dieser Papst die geschmähte Kirche so ruckartig aus dem Imagetief reißen? Selbst Zyniker sehen die Bilder des alten Mannes, der jugendlichen Kriminellen die Füße wäscht, und murmeln im Vorübergehen: Find ich gut.’

Das Phänomen ist der erstaunliche Vertrauensvorschuss, der in katholischen Kreisen dem neuen Papst entgegengebracht wird, ohne dass man als Außenstehender einen vernünftigen Grund dafür erkennen könnte. Was Franziskus bisher von sich gegeben hat, mag ja recht nett und menschenfreundlich klingen, aber auch ein Papst muss an seinen Handlungen gemessen werden, nicht an seinen Verlautbarungen und symbolischen Gesten. Und mit ‘Handlungen’ ist nicht der Verzicht auf rote Schuhe oder die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gemeint.

Klar, Franziskus ist erst wenige Tage im Amt, aber erwartet jemand ernsthaft, dass der Angehörige eines Ordens, dessen Aktienkapital auf 6 Milliarden Dollar geschätzt wird, beispielsweise die Vatikanbank regulieren wird? Ob er einer Muslimin die Füße wäscht, interessiert ernsthaft auch nur Opus Dei, die Piusbruderschaft und den VN-Kolumnisten. Apropos Opus Dei: Was die Wahl eines Jesuiten zum Kirchenoberhaupt für diese die vatikanische Politik unter Woityla und Ratzinger dominierende Vereinigung bedeutet, dazu wären fundierte Prognosen interessant zu lesen, aber wahrscheinlich dauert es auch hier noch einige Zeit, bis sich etwas Konkretes tut – wenn überhaupt.

Und man erinnert sich an die Aussage einer deutschen Vatikan-Korrespondentin noch zu Woitylas Zeiten, die eigentliche Trennlinie im Vatikan verliefe nicht zwischen Reaktionären und Progressiven, sondern zwischen Heteros und Schwulen. Diese Meinung kehrte vor kurzem im Gemunkel über ein homosexuelles Netzwerk, das Ratzinger zur Resignation veranlasst habe, wieder. Eine andere Ironie liegt darin, dass man einst den Jesuitengeneral als den ‘schwarzen Papst’ bezeichnete, als man ihn – damals wohl zu Recht – für den zweitmächtigsten Mann der Kirche hielt; jetzt ist also ein Jesuit weißer Papst geworden.

Zur Fußwaschung: Diesen symbolischen Akt in einem Gefängnis mit jugendlichen Straftätern durchzuführen, wirkt sehr ostentativ wie vieles am Verhalten des Jorge Mario Bergoglio. Ob Zyniker seine Show gut finden, ist schwer zu sagen, Kyniker würden jedenfalls darüber lachen.