Hobbygärtner vs. Saatgutkonzerne

/ Kurt Bracharz

Die EU wollte verbieten, dass man im Schrebergarten und auf dem Balkon Petersilie, Schnittlauch oder Rosmarin ziehen und ein paar Pflänzchen oder Samen davon an andere Hobbygärtner verschenken darf. Zum Glück erhob sich sofort ein Shitstorm an Postings und Leserbriefen gegen diese neuerliche Zumutung der von Lobbies beherrschten, diktatorischen EU. Nachdem der zuständige Kommissar die Leserbriefe in ‘VN’ und ‘Wann & Wo’ gelesen hatte, ruderte er sofort zurück, obwohl er zweifellos Monsantos Messer an die Kehle fühlte. Solche Macht hat der Volkszorn, zumindest wenn es um den Schrebergarten geht.

Also zugegeben ­– ganz so war’s nicht. Der erste (!) Entwurf für eine neue Saat- und Pflanzgutverordnung der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz hatte beispielsweise nicht wirklich ein Verbot des Verschenkens von Hobbygärtner-Saatgut enthalten, denn für dieses minimale Marktsegment interessieren sich die Saatgutkonzerne naturgemäß überhaupt nicht. Dieser Teil der Story erinnert an die unsägliche Kettenbrief-Kampagne im Jahre 2011, dass die EU verbieten wolle, in Privatgärten Heilpflanzen zu züchten oder in der freien Natur zu sammeln, und dass überhaupt alle Naturheilmittel verboten würden. Obwohl damals beispielsweise der Fachverband Deutscher Heilpraktiker diese Behauptungen einen ‘groben Unsinn’ nannte, unterschrieben über 100.000 Personen eine Petition im Internet gegen die angebliche EU-Richtlinie. (Tatsächlich verpflichtete sie lediglich die Hersteller von rezeptfreien Fertigarzneimitteln, die Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte zu belegen.)

Auch jetzt haben schon annähernd 200.000 Menschen eine Petition von Global 2000 und Arche Noah gegen den Entwurf einer neuen Saatgutverordnung unterschrieben, eine vermutlich nicht geringe Anzahl davon unter falschen Voraussetzungen. Der EU-Kommissar Tonio Borg hat mittlerweile darauf hingewiesen, dass Privatgärtner, Kleinstunternehmen und regionale alte Sorten von der neuen Regelung teils gar nicht, teils abgeschwächt betroffen sein werden. Die Medien haben das natürlich als ihren Erfolg verbucht. Es sei ihnen gegönnt.

Für das Unterschreiben der Petition aus den richtigen Gründen spricht nämlich auch vieles, denn den ‘Big Six’ des globalen Saatgut- und Agrochemie-Business Monsanto, DuPont, Dow, Bayer, BASF und Syngenta darf die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion nicht überlassen werden. Das Problem ist allerdings zu kompliziert, um hier in ein paar Sätzen abgehandelt zu werden, denn der regionale Anbau durch Kleinbauern könnte eine 10-Milliarden-Menschheit selbst unter den günstigsten Umständen (und klimatisch sind eher ungünstigste zu erwarten) nicht ernähren.