Der Schupfnudelgruß

/ Kurt Bracharz

Die Quenelle wird sich wohl auch im deutschsprachigen Raum ausbreiten, auf rechtsradikalen Webseiten kann man jetzt schon die Empfehlung lesen, sie als ‘Zeichen des Widerstandes’ zu verwenden. Die Quenelle ist eine Gebärde, bei der man den rechten Arm nach unten ausstreckt und die linke Hand auf den rechten Oberarm legt, wobei man je nach Platzierung der Linken die Länge der gedachten Quenelle anzeigt.

‘Quenelle’ ist ursprünglich ein kulinarischer Begriff, ein französischer Versuch, das Wort ‘Knödel’ auszusprechen, und bezeichnet einen kleinen Kloß, der am ehesten eine Schupfnudel vergleichbar ist. Man würde ‘quenelle’ besser mit ‘Schupfnudel’ übersetzen als mit ‘Knödel’, weil die Gebärde bedeutet: So weit werde ich dir die Nudel in den Arsch schieben.

Die Quenelle ist eine Erfindung des 1966 in der Umgebung von Paris geborenen Mulatten Dieudonné M’bala M’bala, der bei der französischen extremen Rechten als beliebter Komiker gilt. Dieser Faurisson- und Le Pen-Freund bezeichnete sich selbst 2005 in einem Stück als eine ‘quenelle’ (Knödel, Knoten, Klumpen etc.) im System und zeigte auf der Bühne den ‘salut de la quenelle’, der wie ein Hitlergruß aussieht, bei dem die Linke den rechten Arm duch Niederdrücken an der Erektion zu hindern versucht.

Dieudonné erklärte damals, der Gruß schiebe dem imaginären Gegner eine ‘quenelle’ in den Hintern, sei also etwas Ähnliches wie ein überdimensionierter Stinkefinger. Die Idee wurde vor allem von Jugendlichen begeistert aufgegriffen. Bekannt wurde vor allem ein ins Internet gestellter Videoclip von einigen Jungen, die sich zusammen mit dem Innenminister Manuel Valls fotografieren ließen und dabei die Quenelle zeigten. International bekannt wurde die Gebärde, als der Fußballer Nicolas Anelka sie im Dezember 2013 nach einem Tor für West Bromwich Albion ausführte, allerdings hatten sie vorher auch schon Yannick Noah, Samir Nasri und andere französische Sportler gezeigt.

Es gibt nun eine Debatte, ob die Quenelle eine speziell antisemitische Bedeutung habe. Sie geht davon aus, dass es sich um einen ‘umgekehrten Hitlergruß’ handle. M’bala M’bala ist einer der bekanntesten Antisemiten Frankreichs, einer von der ganz ungenierten Sorte. Er sagte bei einem Auftritt über den Radiojournalisten Patrick Cohen: ‘Wenn der Wind sich dreht, weiß ich nicht, ob er genug Zeit haben wird, um die Koffer zu packen. (…) Wenn ich ihn reden höre, Patrick Cohen, …dann sage ich mir: die Gaskammern … schade …’ (Sein Anwalt sagte übrigens, man müsse das ‘im Kontext’ eines ‘lustigen Spektakels’ sehen, in dem auch ‘Überzogenes oder Absurdes’ Platz haben müsse.)

Im September wurden zwei Soldaten bestraft, weil sie die Quenelle beim Wachestehen vor einer Synagoge gezeigt hatten, in Toulouse machte die Geste ein Rechtsradikaler vor der Schule Ohr Torah, wo Mohamed Merah im März 2012 drei Schüler und einen Lehrer ermordet hatte. Die Frage, ob die Quenelle spezifisch antisemitisch ist, erübrigt sich, sie ist jedenfalls eine Gebärde der extremen Rechten.

Die Satirezeitschrift ‘Charlie hebdo’ zeigte unter der Überschrift ‘Dieudonné ruiné’ (‘D. ruiniert’) eine Zeichnung von Hitler, der die Quenelle macht und dazu sagt: ‘J’exige ça de droits d’auteur sur la quenelle’. Der Witz an dieser Copyright-Behauptung von Hitler ist, dass M’bala M’balas Ehefrau die Quenelle beim Institut für Industrielles Eigentum als kommerzielle Marke angemeldet hat.