Der Kontinent der Knechte

/ Kurt Bracharz

„Wir haben die zynischen, abgeschlafften Europäer mit ihrem Größenwahn satt, die uns für Tölpel halten. Was ist Europa denn? Nichts als ein Museum voller Überbleibsel ohne Dach darüber. Man kann durch den Dreck des heutigen Europa wandern und die Relikte eines längst gestorbenen Europa betrachten, das mal was war. Die Frage ist, warum man dorthin muss. In Europa findet man keine Landschaft, die großartiger wäre als die Amerikas. Es gibt kein Essen, das besser zubereitet und serviert würde als hierzulande. (…) Wir Amerikaner sollten allerdings einmal in unserem Leben Europa besuchen: Um uns darauf zu besinnen, wie gut unsere Vorfahren daran taten, es zu verlassen.“

Ach, dieser Trump! Aber halt – kann der aktuelle amerikanische Präsident wirklich so lange Sätze bilden und seine Polemik in relativ witzige Formulierungen kleiden? Nein, das kann er gewiss nicht. Diese Belegstelle für das Europabild der Amerikaner mit Sonntagsschulbildung ist gut vierzig Jahre alt und stammt aus einem Kommentar des seinerzeit beliebten Kolumnisten Charley Reese, der damals, in Vor-Internet-Zeiten, von King Features Syndicate an hunderte Zeitungen verteilt wurde.

Aber schon General Patton, der Befehlshaber der 3. US-Armee nach der Landung in der Normandie und spätere Befreier von Buchenwald, formulierte in einer Rede vom Juli 1943 an seine Truppen: „Wenn wir gelandet sind, werden wir auf deutsche und italienische Soldaten treffen, die anzugreifen und zu vernichten unsere Ehre und unser Vorrecht ist. Viele unter euch haben deutsches und italienisches Blut in den Adern; denkt jedoch daran, diese eure Vorfahren liebten die Freiheit so sehr, dass sie Heim und Heimat aufgaben, um jenseits des Weltmeeres die Freiheit zu suchen. Die Vorfahren der Menschen, die zu töten uns obliegt, ermangelten des Mutes, um ein solches Opfer zu bringen, und blieben daher Knechte.“

Europafreundliche Äußerungen amerikanischer Präsidenten sind eher dünn gesät. Theodore Roosevelt, der von 1901 bis 1909 Präsident war, machte zwar seine Hochzeitsreise mit Alice Lee nach Europa, bestieg dabei aber in der Schweiz das Matterhorn, was den Schluss zulässt, dass für diesen für einen US-Präsidenten ungewöhnlich gebildeten Mann bei seinem Europatrip auch eher sportliche als kulturelle Interessen im Mittelpunkt standen.

Aber was ist mit Kennedys berühmtem Spruch „Ich bin ein Berliner“? Der bedeutete nicht, dass sich John F. Kennedy in die damals geteilte Stadt verliebt hatte, sondern richtete sich an die Sowjets, um auf einen handlichen Slogan zu bringen, dass die Amerikaner weiterhin politisch und militärisch zu Westberlin stehen würden.

Nein – wirkliche amerikanische Sympathieadressen für Europa kamen und kommen wohl nur aus Intellektuellenkreisen.

Die Anziehungskraft, die in den Zwischenkriegsjahren Paris auf amerikanische Schriftsteller und Künstler ausübte, ist allgemein bekannt. Das ist jetzt aber auch schon lange her.

Sic transit gloria mundi.