Freude, schöner Yellowhammer

/ Kurt Bracharz

Yellowhammer ist der Codename für den harten Brexit. Wer mit den false friends des Englischen nicht vertraut ist, könnte meinen, mit der Bezeichnung sei der bekannte Vertreter eines harten Brexit und mögliche nächste Premierminister Boris Johnson gemeint, wegen seines gelben Haarschopfs und seines bizarren Charakters. Aber „Yellowhammer“ bedeutet nicht „gelber Hammer“, sondern ist das englische Wort für die Goldammer (Emberiza citrinella), einen Singvogel mit gelbem Kopf. Die Goldammermännchen sind für ihren Gesang bekannt, der deutlich unterscheidbare regionale Dialekte kennt. Auf einer Tonhöhe wiederholte, kurze Töne schwellen in der Lautstärke langsam an und werden mit einem regional unterschiedlichen Element abgeschlossen. Dieser Gesang der Goldammer soll nach Ansicht mancher britischer Gelehrten auf Grund einer Anekdote des Beethoven-Schülers Carl Czerny das berühmte Motiv in Beethovens 5. Sinfonie inspiriert haben. Vielleicht haben die Brexiteers bei der „Schicksalssymphonie“ gleich an die Europahymne am Ende der 9. Symphonie gedacht, das entspräche ihrem intrikaten Humor.

Für den ist auch der 1964 in New York geborene Alexander Boris de Pfeffel Johnson bekannt, eine etwas intellektuellere Ausgabe des auf viel plumpere Art schrägen Donald Trump im Kleinformat. Er war eine Zeitlang Herausgeber des konservativen Magazins „The Spectator“, von 2008 bis 2016 Londoner Bürgermeister und von Juli 2016 bis Juli 2018 britischer Außenminister (weshalb er 2016 auf den amerikanischen Teil seiner Doppelstaatsbürgerschaft verzichtete). Einige Beispiele für seine Ähnlichkeit mit Trump, der ihn übrigens derzeit als Premierminister empfiehlt: In seinem Wahlprogramm erklärte er 2008, die Fahrkartenschalter der Untergrundbahn erhalten zu wollen, im Gegensatz zu seines Vorgängers Ken Livingstones Ankündigung, 40 Verkaufsstellen zu schließen. Im November 2013 kündigte Johnson an, dass als Sparmaßnahme die Räume und das Personal sämtlicher Underground-Fahrscheinverkaufsstellen durch Fahrscheinautomaten und andere Systeme ersetzt würden. Einen gröberen Fehler machte er während seines Brexit-Wahlkampfs, als er erklärte, Obama sei von einem anti-britischen Gefühl getrieben, das an seiner „teilweise kenianischen“ Abstammung liege. Bei der Gelegenheit grub die britische Presse ein Johnson-Zitat von 2007 aus, in dem er Hillary Clinton „blondgefärbtes Haar, einen Schmollmund und einen stahlblauen, stechenden Blick wie eine sadistische Krankenschwester in einer psychiatrischen Klinik“ nachgesagt hatte.

Nicht so oft wird sein Gedicht über Erdogan zitiert, das er als Außenminister (und nicht bloß als Comedian wie Böhmermann) für die „President Erdogan Offensive Poetry Competition“ des „Telegraph“ verfasst hatte:.

„There was a young fellow from Ankara Who was a terrific wankerer Till he sowed his wild oats With the help of a goat But he didn’t even stop to thankera.“

(„Da war ein junger Kerl aus Ankara, / der war ein schrecklicher Wichser, / bis er sich endlich einkriegte / dank einer Ziege, / dann aber ohne Dankeschön gleich mal abhaute.“)

Man fragt sich, wie wohl ein Gespräch verliefe, bei dem ein Premierminister Boris Johnson am Rande eines Gipfels privat auf Recep Tayyip Erdogan trifft und die beiden ein wenig plaudern. Da würde der flinke Lügner Johnson wohl darauf hinweisen, dass sein Limerick keinen Namen nennt und er an seinen, Johnsons Urgroßvater Ali Kemal, den letzten Innenminister des Osmanischen Reiches, gedacht habe. Aber vielleicht wäre das keine so gute Idee, denn Erdogan lässt sicher aufs Osmanische Reich nichts kommen.