Wofür steht die gelbe Weste?

/ Kurt Bracharz

Wer sich als links versteht, sollte heute in Österreich zur Demo keine gelbe Weste tragen. Das ist keine Modefrage (auch wenn für den jeweiligen Anlass funktionslose Funktionskleidung unweigerlich läppisch aussieht), aber wofür auch immer das französische Mouvement des Gilets jaunes steht, für sozialdemokratische Positionen sicher nicht. Je nach Standpunkt hat es also etwas Amüsantes oder etwas Ärgerliches, wenn die Jungsozialisten in Bregenz in Warnwesten demonstrieren.

Die Gelbwesten in Frankreich sind eine bürgerliche Bewegung mit erkennbarem Rechtsdrall. Sie hat ‘unpolitisch’ begonnen, die Therapeutin Jacline Moraud aus der Bretagne zeterte in ihrem sechs Millionen mal angeklickten Video im Oktober 2018 lediglich gegen die Spritpreiserhöhung, welche Macrons Regierung damals angekündigt hatte. Aber bald sahen sich 3,4 Millionen User das Video von Frank Buhler ein, der wegen rassistischer Witze auf Facebook aus dem Front National ausgeschlossen worden war und nun in der rechtsnationalen Partei Debout la France aktiv ist.

In Frankreich gibt es mit dem Poujadismus eine Tradition von Steuerrebellionen, die mit Pierre Poujade in den 1950er Jahren begann und 1956 Jean-Marie Le Pen ins Parlament spülte. Die Gelbwesten haben mit der parlamentarischen Demokratie nichts am Hut, sie fordern (ähnlich wie die FPÖ vor der Regierungsbeteiligung) die Einführung eines Bürger- oder Volksinitiativen-Referendums mit der Absicht, die außerparlamentarische Verabschiedung von Gesetzen zu ermöglichen. Deshalb gehören auch Anhänger des Kommunisten Jean-Luc Mélenchon zu ihren Unterstützern. Die Gewerkschaften, die der Mischung aus Mittelständlern und Besserverdienenden, denen es ursprünglich nur ums Geld ging, zunächst skeptisch gegenüberstanden, versuchen mittlerweile auch, sich an die Bewegung anzuhängen, um Einfluss zu gewinnen. In einer ganzen Anzahl von Ländern haben mittlerweile Gruppen die gelben Westen als Symbol für ihren Protest übernommen, es ist aber fast immer ein Protest gegen hohe Steuern, und wo konkrete politische Ziele formuliert werden, sind es nie sozialdemokratische.

Medienhistorisch interessant ist die Gelbwestenbewegung, weil sie nur durch die sozialen Medien entstanden ist und sich organisiert. Die selbsternannten Wortführer rufen per Facebook zu den Aktionen auf, im November und Dezember gab es für Flashmobs innerhalb von 24 Stunden Teilnehmer im fünfstelligen und Interessierte im sechsstelligen Bereich. Als Absender von Dutzenden E-Mails pro Tag war oft der Lastwagenfahrer Éric Drouet genannt, einer der Gründer der Bewegung, der mittlerweile mehrmals wegen Organisation unangemeldeter Demos und Mitführen eines Schlagstocks verhaftet worden ist und Mitte Februar seinem Prozess entgegensieht.