Schülerkompetenz

/ Haimo L. Handl

Als kürzlich die Mathematikprüfungen der Zentralmatura absolviert worden waren, erscholl sofort Kritik an den Prüfungsaufgaben, die unzumutbar gewesen seien, weil nicht genau den Übungsaufgaben gleichend, weil ‘fremd’; eine Mehrheit befürchtet negative Ergebnisse, worauf Eltern- und Schülervertretungen gleich einmal vorsorglich protestierten.

In Österreich ist die Inkompetenz, die Leistungsverweigerung schon so weit fortgeschritten, dass Erziehungsberechtigte als auch Schüler meinen ein Recht darauf haben zu dürfen, nur ihnen genehme Prüfungsaufgaben vorgesetzt zu bekommen, das heißt solche, die sie kennen und nicht solche, die sie aus dem erworbenen Fachwissen erkennen und lösen sollen.

Dass damit aber nur ein kurzsichtiges Prüfungslernen geübt wird und keine Kompetenzaneignung, wie man Aufgaben im Fachbereich erkennt und löst, müsste auch den verwöhnten Bequemen bzw. deren Eltern dämmern, die Anstrengungen vielleicht im Sporttraining goutieren, nicht aber im Geistigen, wo alles in gewohnten Bahnen ‘einfach’ ablaufen soll.

Zur Entlastung werden ein Schulversagen moniert, die mindere Qualität des Lehrpersonals, die Lernumgebung und die Lehrmittel. Ausgespart vom kritischen Blick bleiben die Schüler und Eltern. Ausgespart bleibt der Hintergrund, warum Mathematik traditionell ein Angstfach ist, warum in diesem Fach die Leistungen der Mehrheit der österreichischen Schülerinnen und Schüler schwach ist. Als Lösung gilt aber vielerorts eine Senkung des Anforderungsniveaus. Eine völlig falsche Sicht!

In Fächern, deren Regeln ‘weicher’ und offener sind, wie Sprachen (Deutsch, Fremdsprache), wurde der Leistungsanspruch schon derart drastisch gesenkt, dass von hoher Kompetenz auch im besten Falle nicht mehr gesprochen werden kann. Man mutet den armen Schülern weder komplette Lesestoffe (ganze Bücher) zu, noch tiefergehende Interpretation; es reicht eine untere funktionale Literalität, alles andere ist ‘Luxus’ und Ballast. In naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathematik lässt sich das aber nicht machen. Daran scheitern viele mit ihrer Inkompetenz.

Österreich steht mit dieser Problematik nicht alleine da, obwohl das kein Trost ist. In Deutschland hat kürzlich die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ‘Studierfähigkeit und Ausbildungsfähigkeit’ erschreckende Ergebnisse geliefert über die Bildungsdefizite junger Deutscher. Es mangelt vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern, wie bei uns, an ausreichenden Kenntnissen und Kompetenzen. Die Bequemlichkeit, die Unwilligkeit vieler Schüler und Eltern versperrt damit einen Weg in die Zukunft, wie er gangbar wäre, wenn man sich anstrengte. Die smart-phone culture mit ihren social media reicht nicht aus, die Realität zu meistern und zu gestalten. Da braucht es mehr. Und dieses ‘mehr’ kann oder soll niemand ‘eintrichtern’, wie es sich manche vorstellen (Nürnberger Trichter), weil Lernen eine eigene Aktivität ist und sein muss.