Andere Zeiten

/ Haimo L. Handl

Als 1956 wegen des Russeneinfalls (korrekt: des militärischen Eingreifens der Schutzmacht UdSSR wegen pakt- und staatsfeindlicher Umtriebe) X Tausende aus Ungarn nach Österreich flüchteten, nahmen die Österreicher, trotz Armut und erst jungem Staatsvertrag, bereitwillig Flüchtlinge auf. Vielleicht war es ‘die Geschichte’, das lange Ringen um Souveränität und Freiheit, die der Mehrheit der Österreicher und ihrer Regierung deutlich haben werden lassen, worum es ging, was ‘Freiheit’ heißt, was Armut und Diktat.

Von den Ungarn blieben nur wenige in Österreich. Die meisten versuchten in den USA oder einigen anderen europäischen Ländern unterzukommen. Österreich half.

1968, als die östliche Leitmacht UdSSR wieder militärisch einem Bruderland beistand und den ‘Prager Frühling’ niederwalzte, nahm Österreich wieder Flüchtlinge auf, half über den ORF mit Sonderprogrammen bzw. damit, dass Sendezeit den dissidenten Tschechoslowaken zur Verfügung gestellt wurde, half, indem Tausende bei uns ihre neue Heimat finden konnten. Die Bereitwilligkeit war zwar nicht mehr so hoch und einhellig wie 1956, aber sie war immer noch positiv.

Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Die Freiheitlichen gewinnen Stimmen mit Ausländerhetze, von den Bundesländern erfüllen die vereinbarten Aufnahmequoten nur zwei, Gemeinden protestieren gegen die Unzumutbarkeit, bei Ihnen die verhassten Flüchtlinge unterbringen zu wollen, wehren sich gegen Kasernenöffnungen, schüren Pogromstimmung. Österreich ist zwar wohlhabend, blockt aber ab, bunkert, mauert.

Zur vergleichenden Erinnerung aus der jüngeren Geschichte: In der Zwischenkriegszeit, als es unserem ‘Rumpfstaat’ besonders schlecht ging, wanderten allein aus dem Burgendland Tausende aus nach Übersee, fast 14.000 in die USA, über 2.000 nach Kanada und Argentinien, über 1.200 nach Brasilien. Österreich war nicht im Krieg, die Auswanderer waren, was man heute ‘Wirtschaftsflüchtlinge’ nennt. Sie fanden in den Amerikas ihre neue Heimat, bildeten dort in einigen Städten starke Gemeinden.

Die Rechtspopulisten erstarken wieder in Europa, der Ausländerhass steigt. Der skandinavische Wohlstandsstaat Dänemark bescherte in den kürzlichen Wahlen der Dansk Folkeparti, die früher als rechtsextrem gesehen wurde, heute, nach langer Gewöhnung an die Werteverschiebung, nur mehr ‘rechtspopulistisch’ genannt wird, 21,1% Stimmenanteil. Also über ein Fünftel des Elektorats stützt den besorgniserregenden Rechtsruck, und das im ‘glücklichen’ Wohlfahrtsland Dänemark, wo die schleichende Angst offenbar die Politik verdirbt.

Am extremsten gebärden sich unsere östlichen Nachbarn, die Ungarn. Sie suchen den Schulterschluss mit Russland, das bereitwillig die Faschistisierung, weil sie der Schwächung der Union dient, unterstützt. Eine Ironie der Geschichte, dass neofaschistische Führer mit ihren wütenden Anhängern, den rabiaten Spießern, just dort moralische, wirtschaftliche und politische Unterstützung suchen, wovon sich ihre Väter verzweifelt loszusagen versuchten. Aber das waren andere Zeiten, im Osten wie im Westen, in Europa.