Weltschmerz, Frustration & Wut

/ Haimo L. Handl

Wutbürger ist zu einem positiv konnotierten Begriff geworden. Die Verbindung von Frustration und Wut sowie Weltschmerz oder Wut aus Weltschmerz und Frustration bilden ein ungutes Gemisch, das nicht nur das eigene Leben schädigt, sondern allgemein, sozial zu einer Belastung, wenn nicht Gefahr wird.

Wer zu seiner Wut steht und sie, wie den Hass, pflegt, gestattet sich keine Freuden mehr, weil er oder sie das als Verrat empfände an der Lauterkeit der einmal eingenommenen Position, am vermeintlichen Widerstand. Das kommt einer gewissen Lustfeindlichkeit entgegen, weil man haufenweise Argumente hat sich im Hass zu verzehren, seine Aktionen dauernd abwehrend, verurteilend, verfolgend auf die Umwelt zu richten, die rettungslos verkommen und verloren ist.

Kürzlich hatte ich mit einer Künstlerin ein Gespräch, das plötzlich kippte, weil ich einige Aussagen politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art in Frage stellte, weil ich nachhakte und die Schlüssigkeit gewisser Aussagen bezweifelte. Ich sei eben nicht nur uninformiert, sondern auch borniert, ich wehrte ab, weil sie als Frau emotionaler argumentiere, ich nähme sie nicht ernst bzw. ich griffe sie persönlich an, verletzte sie, wenn ich behaupte, diese oder jene Ansicht entspräche einer Verschwörungstheorie, was nicht stimme, da sie seit vielen Jahren die Materie studiere, wichtige Quellen im Internet konsultiere, während ich den regulären Medien oder Buchpublikationen vertraute.

Mein Hinweis, dass der Rekurs auf Studien oder lange Beschäftigung genauso wenig das Argument aufwerte, wie die Tatsache, dass sie es als weibliches Wesen äußere, steigerte nur ihre Wut. Sie behauptete, schon meine Körpersprache verletze sie, ich sei unverbesserlich und dergleichen mehr.

Als ich erwiderte, dass ich Theorien, die mir unlogisch erschienen oder nicht wissenschaftlich fundiert, auch bei Männern hinterfrage oder zurückweise, nahm sie nicht zur Kenntnis. Denn der Einsatz der Logik sei ein Instrument maskuliner Ausbeutung, sei eine Finte, ich sei eben ignorant. Hast du die Videos von compact.tv auf Youtube gesehen? Nein? Du kennst ja nichts. Und dann setzte das Ausbreiten des düsteren Bildes einer untergehenden Welt ein, das eigentlich keinerlei positiven Sinn mehr bot, keine Rettung in Aussicht stellte.

Ich fragte, wozu sie ihr Wissen denn nutze? Nur um noch mehr zu verzweifeln, um noch zorniger alle anderen, die ihre Meinung nicht teilten, zu beschimpfen? Wie richte sie ihr Leben aus mit diesem Wissen? Sie konnte oder wollte keine Antwort geben. Schließlich argumentierte sie, sie wolle nicht zu jenen gehören, die einmal sagen, sie hätten nichts gewusst. Sie wolle es wissen. Gut so, aber was ist das für ein Wissen, das dich fertig macht, das dich so aufbringt, dass du mit allen, die nicht Glaubensgenossin oder –genosse sind, in Feindschaft bringt?

Es ging ihr um ihre ganz eigene Sinngebung, die sie zugleich als Opfer adelte in einer ignoranten Umwelt, die dem Verderb ausgesetzt war. Als ich mir erlaubte ihr zu sagen, dass ich sie als in einem gesteigerten Hass und einer tiefen Frustration lebend sehe, und meinte, das Verderbnis würde, wenn es so allgemein unabdingbar existiere, wie sie behauptete, ohne jede realistische Veränderungsmöglichkeit, auch sie treffen, da sie offensichtlich keine anderen Aktionen zu setzen vermöchte, als zu schäumen und zu wüten, kam das inzwischen lautstark gewordene „Gespräch“ zum Abbruch. Davor hatte sich noch bemerkt, dass ich sie an ihren autoritären Vater erinnere.

Am nächsten Tag erhielt ich eine e-mail von ihr, worin sie sich gegen meine Unterstellungen und Angriffe als persönliche Abwertungen verwahrte. Insbesondere meine Bemerkung wegen ihres Hasses hatte sie aufgebracht. Zugleich schrieb sie aber von einem dauernden, tiefen Zorn gegen jene, die ignorant nicht wissen wollen, wie schlimm es um uns stehe. Was sie Zorn nannte, war die Form von Frustration und Hass, wovon ich sprach. Sie lebt in einem geschlossenen System und macht jeden, der sich nicht darin aufhält, zum Gegner und Feind.

Leicht vorzustellen, wie so eine Person mit gewissem Temperament und hoher Energie es nicht bei Worten belässt, sondern zu Taten schreitet. Viele Terroristen sind ja tief Enttäuschte, die sich rächen. Hoffnung zu haben, Lösungen anzupeilen, gilt als Verrat oder Dummheit. Im Hass sich zu verzehren als opferreiche Leistung. Eine Art von Perversion.