Bundesheer-Malaise

/ Haimo L. Handl

Das Bundesheer soll bleiben, befand die Mehrheit des österreichischen Elektorats. Wahrscheinlich dachte aber die Mehrheit weniger an die Kosten und die Finanzierung, sondern an die „Schule der Nation“ für die Jungen, die „drankommen“ sollen bzw. die als billigste Arbeitskräfte Frondienste leisten zugunsten von Hilfswerken wie Rotes Kreuz oder Caritas, die diese Fron mit ihrer „guten Tat“ legitimieren.

Es ist natürlich nicht nur ein Finanzproblem, zu welchem dem Finanzminister und Vizekanzler nur Peinlichkeiten einfallen, die sogar eigene Parteifreunde ärgern. Es ist ein altes politisches Problem der Verteidigungskonzeption einerseits, der Kernfrage, brauchen wir überhaupt ein Heer, andererseits. Die Frage wurde beantwortet. Eher symbolisch, als praktisch. Ein paar Ausflüge in telegene Kriegsgebiete, wenn es nicht wirklich ernst wird für die braven Soldaten, ein paar Sicherungsaufgaben, etwas Schulung und Präsenz. Verteidigung? Welche wogegen?

Vor Jahren hatte ich in einem Club 2 einmal angemerkt, dass Österreich bei aktiven Grenzverletzungen durch Tschechen, die damals Kommunisten waren und scharf schossen, entsprechend rasch und direkt, „hart“, reagieren solle. Das brachte mir entrüstete Kritik ein. Man werde doch nicht schießen und damit zur Eskalation beitragen. Also nur protokollieren und reden und schreiben. Dafür ein Heer, ein militärischer Grenzschutz?

Ich lernte damals, dass wir ein Heer haben, das aus Deeskalationsbemühungen nicht zum Einsatz kommen darf. Das hat sich später immer wieder unter Beweis gestellt. Luftraumverletzung? Wird beobachtet, aber nicht unterbunden. Nicht nur zu gefährlich, sondern politisch inopportun. Vor allem, wenn befreundete Nationen wie die USA ohne Anfrage und Erlaubnis, aus „transport-ökonomischen“ Gründen, einfach „drüberfliegen“. Was, wenn die Sowjets das gemacht hätten oder heute die Russen unternähmen?

Freundliche oder feindliche Spionage und Ausspähung? Wir sind doch gastlich und ein Nachrichtenverkehrsknotenpunkt. Man macht Geschäfte. Auch militärisch-nachrichtendienstliche. Wir kooperieren.

Wie würde der freundliche Vizekanzler seinen Wählern erklären, dass er X Milliarden in die Rüstung steckte, um endlich ein schlagkräftiges Heer zu haben, damit sein Stillhalten mehr Sinn machte? Oder meint er wirklich, was er sagt? Dass es ohne mehr Finanzmittel reformiert gehöre? Die Militärs, wahrlich keine Freunde der Sozialdemokraten, reagierten entrüstet: sie haben Konzepte, sie leisten etwas, und sie könnten mehr leisten, wenn es die Finanzmittel gäbe. Tja, der Vize sieht das anders. Wie sehen es die Wählerinnen und Wähler? Die sehen gar nichts, weil sie sich zwar am Nationalfeiertag freuen über die schönen Panzer und schweren Fahrzeuge, die geputzten Helikopter und so weiter und so fort, weil die Kinder einen Riesenheldenspielplatz als Erlebnispark haben, und weil der Zivildienst noch funktioniert oder die Katastrophenhilfe und, nicht zu vergessen, die schönen Paraden und Musiken der Gardebataillone. Aber Kostendenken hinsichtlich Infrastruktur und Rüstung? Das ist zuviel verlangt. Darauf baut der plaudernde Vize und quasselt, wissend, dass er damit nicht beim Wort genommen werden kann. Und der Kanzler? Der strahlt und hält sich raus. Er beruhigt, er deeskaliert sozusagen auf Zivilebene. Schüssel wusste, was wir brauchen. Er handelte. Er orderte. Jetzt die Jets haben aber nicht fliegen, weil das Geld fehle, ist feige. Sollten wir nicht zu den Jets mehr Panzer anschaffen, neueste Kampfhelikopter und Drohnen? Wir wollen uns doch verteidigen, nicht?