Handkes Preis

/ Haimo L. Handl

Dem österreichischen Dichter und Schriftsteller Peter Handke wurde am 20. März, Ibsens Geburtstag, im Nationaltheater in Oslo der norwegische, prestigeträchtige Internationale Ibsen-Preis zugesprochen, der mit ca. 300.000,00 Euro auch ein lukrativer ist; er wurde 2008 installiert.

Peter Handke hat sehr viele Preise und Auszeichnungen in seiner langen Karriere erhalten. Aber er ist einer der ganz wenigen Preiswürdigen, der durch sein Verhalten, seine politische Haltung bzw. politischen Akte nicht nur zu wüsten Anfeindungen und Verurteilungen führt, sondern auch dazu, dass bereits zugesprochene Preise wieder annulliert werden, wie es skandalöser Weise sich 2006 in Düsseldorf zutrug, bzw. dass Stücke von ihm abgesetzt werden, wie z. B. von der Comédie-Française.

Peter Handke polarisiert. Die Ankündigung der norwegischen Preisverleihung weckte schlafende Hunde im Land, die glücklich waren, als Gerechte und Korrekte wieder mal publikumsträchtig kläffen zu dürfen, als Medienbüttel an den Baum brunzen zu können, den sie so verabscheuen. In einem Artikel, geschickt mit einem Porträtfoto von Handke, aus der Froschperspektive geschossen, aufgemacht, das ihn alt, faltig, mit spähendem Blick in die Ferne zeigt und bloßstellt, legt Ingvar Skobba los. Skobba, mit Baseballkäppchen und Stoppelbart in vielen Fotos im Netz zu finden, ist historischer Fachmann, und zugleich einer fürs politisch Korrekte. Er meint, dass Handkes „Bagatellisierung und Trivialisierung von Kriegsverbrechen“ unvereinbar mit der Preisverleihung seien. Und überhaupt, Handkes Haltung zum Balkankrieg, zu Slobodan Milosevic, seien inakzeptabel.

Sekundiert wird dieser Ausfall im reichen, gesitteten, demokratischen Königreich, das seine eigenen Wunden faschistischer Auswüchse im Volk leckt, seit der brave Breivik wütete, durch den Slawistikprofessor Svein Mønnesland, 1943 in Skien geboren, der an der Osloer Universität unterrichtet und unter anderem Mitglied der Wissenschaftsakademien in Norwegen und Bosnien ist. Im Klagenfurter Wieser-Verlag erschien die deutschsprachige Ausgabe „Land ohne Wiederkehr. Ex-Jugoslawien: Die Wurzeln der Kriege.“ Ein Experte durch und durch, der Handke nicht preiswürdig findet, weil er „mit der Weltgemeinschaft gebrochen“ habe. Er fühlt sich auch bemüßigt eine Nachbarschaft mit Norwegens berühmtesten Kollaborateur herzustellen: „Die Parallele zu Knut Hamsun ist offensichtlich.“

Soweit, so ungut. Wir wissen, dass wir in Zeiten der niederen Instinktkultur, des Gesinnungsterrors leben. Aber dass verdiente Akademiker in den Chor der Moralapostel und Tugendhaften einstimmen, um Ehrungen nur für solche als zulässig zu reklamieren, die politisch korrekt, moralisch „einwandfrei“ sind, dokumentiert doch einen Rückfall in dunkle Zeiten. Das professorale Urteil der Preisunwürdigkeit, weil der Gepriesene „mit der Weltgemeinschaft gebrochen“ habe, ist so hanebüchnen, dass es ob seiner negativen Einmaligkeit in die Annalen nordischer Kulturleistungen eingehen sollte, damit später einmal Neugierige und Lernwillige über die dummen Auswüchse universitären Ungeistes sich unterrichten können.

Man könnte eine neue Preiskategorie einrichten: Auszeichnungen für Dichter oder Künstler, denen öfter als einmal einen Preis aberkannt wurde bzw. die öffentlich Preise ablehnten und zurückwiesen (1999 gab Handke das Preisgeld für den 1973 erhaltenen Georg-Büchner-Preis zurück, 1985 lehnte er den Anton-Wildgans-Preis ab). Sind unsere Tugendhaften in der Mehrzahl nicht Kollaborateure? Und zwar mit der schlimmsten Kriegsmacht der Gegenwart, den USA? Haben sich Leute wie Skobba und Mønnesland gegen die Umtriebe der westlichen Leitmacht gewendet, haben sie Konsequenzen gezogen? Wie sieht’s aus mit der Kritik an Kriegsbeteiligungen europäischer Länder, an Unterstützungen von Warlords und Mordbanden durch die EU im Schulterschluss mit den USA? Politisch korrekt, im Einklang mit der „Weltgemeinschaft“? Wenn irgendwer Kritik äußerte, blieb es bei Worten oder folgten Taten? Welche?

Handke, ein homme de lettres, blieb und bleibt nicht nur beim Wort. Er setzt, neben seiner Literatur, auch (andere) Taten. Die mögen umstritten sein. Nichts steht außerhalb von Kritik. Aber sie sind allemal mehr als das Gekläffe der Kritiker, Hetzer und Denunzianten.