A wie Afrika

/ Haimo L. Handl

Aus Afrika entstammen die ersten Menschen, soweit die ältesten Befunde zeugen. Von dort zogen sie weg. Heute stürmen Flüchtlinge Europas Grenzen. Fliehen vor allem mit Booten aus dem Kontinent, klettern über die Schutzwälle und Zäune, wollen raus, wollen weg. Afrika ist am Arsch, wie die Statistiken, die vielen Kriege und Terrorakte belegen.

Tiefer Hass spaltet Länder mit unterschiedlichen Ethnien, Religion ist ein Sprengmittel geworden neben den Ressourcen, die Reichtum nur für ganz wenig Privilegierte bringen, was Warlords „Freiheitskämpfer“, Glaubenskrieger, Terroristen, Mörder, Vergewaltiger, Verbrecher zuspielt. Jene, die die kleine Gruppe der Elite, die abkassiert, nicht teilen können, flüchten, soweit sie die Schleppersummen aufbringen können, oder sich einem nahen Treck anzuschließen vermögen.

Afrika ist der Kontinent, von dem wir, wie viele gutmeinende Menchen meinen, das Positive sehen sollen, weil der Fokus auf die Katastrophen ungerecht sei. Afrika sei anders. Afrika sei positiv. Wenn’s nicht HIV ist, ist das Positive aber schwer auszumachen. Viele, viele Afrikaner glauben nicht, was unsere Gerechten hier zu sehen wünschen; sie erblicken keine Zukunft und flüchten.

Immer deutlicher zeigt sich ein Versagen, das sich nicht mehr mit den obligaten Vorwürfen der Kolonialzeit abtun lässt. Der Eigenanteil an der Misere wird trotz gut geölter Kampagnen, die vom Opferdasein und der Ausbeutung predigen, unübersehbar.

Andererseits laufen die Spendenkampagnen bestens organisiert. Sei es „Menschlichkeit“, Mitleid oder eine quere Art von Schuldbewusstsein, die Europäer spenden viel für die Afrikaner. Neben der sogenannten Entwicklungshilfe fließen Millionen von Euros und Dollars in die Länder. Das Ausland beutet nicht nur aus, macht nicht nur Geschäfte, sondern hilft auch. Aber wem? Nun, die Afrikaner beuten nicht nur aus, machen nicht nur Geschäfte, sondern helfen auch. Aber wie viele wo wie intensiv? Jedenfalls bieten sich für Abertausende keine annehmbaren Perspektiven, keine Zukunft. Sie fliehen. Nicht nur vor der Armut, sondern vor der Hoffnungslosigkeit. Vor dem Terror. Vor dem Krieg.

Ob das Mali ist, wo der Islam seine böse Fratze der mörderischen Gewalt zeigt, wie an vielen anderen Orten auch, wo Zerstörung den wütenden Lebensinhalt vieler zorniger Antimodernisten bildet, ob das der Südsudan ist, wo Gangs sich Geschäftsfelder aneignen wollen, ob das das Horn von Afrika ist oder Nigeria, die Länder im Westen oder Zentralafrika: keine guten Aussichten für jemanden, der ohne Angst leben möchte, der Arbeit und Auskommen will, wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Natürlich tragen ausländische Regierungen zum Schlamassel bei. Klar beuten Firmen aus. Wo nicht? Aber immer „kooperieren“ sie mit afrikanischen Partnern. Die afrikanischen Staaten haben in Überzahl versagt oder nie zu einem Nichtversagen gefunden. Hilferufe alleine sind zu wenig. Das wissen jene, die flüchten. Das wissen viele draußen nicht, wollen es nicht wissen.

In Norwegen z. B. bemühen sich Humanisten und Korrekte, dass Hilfskampagnen nicht mehr mittels Stereotypen ablaufen: kein Mitleid, sondern auf Augenhöhe, keine armen Kindern mit Kulleraugen, keine Opferposition. Der Spagat, zu helfen und zugleich so zu tun, als hülfe man nicht, sondern leiste auf Augenhöhe, gleichwertig, Assistenz, ist aber nicht zu schaffen. Die Realitäten widersprechen. Vor allem die Flüchtenden beweisen das Gegenteil.

Und wenn Europa die Grenzen öffnete, würde das die afrikanischen Probleme nicht lösen, weil die meisten afrikanischen Staaten sich das nicht leisten wollen. Eine kleine Schicht profitiert von der Misere. Das ist kein afrikanisches Unikum. „Wir“ im Westen zahlen auch einen hohen Preis für die Machtpolitiken unserer Regierungen. Bei uns sind nur die Puffer besser ausgebaut, ist die Verwaltung des Elends vergleichsweise besser organisiert, führt noch nicht zu Dauerexplosionen.

Auch in Europa gibt es viele Stimmen, die ihre Kritik vornehmlich oder ausschließlich an den „äußeren“ Feind richten. Das ist zu wenig. Für viele in Europa ist Deutschland der Feind, der Böse. Ganz wenige nehmen den Großen Bruder ins Visier. Nicht, dass jene Ländern, die wirtschaftlich oder militärisch stark sind, keine Feinde wären für diesen oder jenen. Aber wenn es bei dieser Fokussierung bleibt, blendet man das eigene Feld aus, auf welchem die eigenen Eliten operieren, kooperieren, regieren. So wie wir, haben alle die Regierungen, die sie verdienen. Europa, zum Beispiel, kann sich nicht auf die bösen Amerikaner ausreden, so schlimm deren Aktionen, Manipulationen, Überwachungen, Gängelungen, Terrorakte und Kriege auch sind. Europa krankt an seiner eigenen stumpfsinnigen chauvinistischen Macht- und Profitgier, an seinen Nationalismen, an seinen Lebenslügen.

Das gilt auch für die afrikanischen Staaten. Wenn die Afrikaner das nicht ändern können, schwächen sie sich weiter, zerstören noch mehr, was dann mit internationaler Hilfe nicht mal vordergründig und kurzfristig aufgefangen werden kann. Afrika wird dann wirklich zum Lokus.