Capital Heights

/ Haimo L. Handl

Die machtpolitischen Kämpfe und Spielchen, eine Art olympischer Beitrag politischer Kultur in den USA, lehren die Welt vieles: die USA sind instabil und stabil zugleich, sie sind höchst verschuldet, aber ganz anderer Qualität, weil ihre Ratings dennoch immer top bleiben, sie sind schwer oder kaum regierbar, wenn die Hintermänner mit Mr. President nicht übereinstimmen, sie sind aber, nach wie vor, die alleinbestimmende Supermacht, die nicht nur Kriege macht, mit Schulden bezahlt, sondern die Weltwirtschaft bestimmt.

Die anderen, die Abhängigen, gieren nervös auf das gelobte, „the promised “ Land, und fürchten sich. Wie bei einem obszönen Familiendrama wird beobachtet, gedeutet und gemutmaßt, was als nächstes folge oder mit welchen „wirklichen“ Konsequenzen“ die Welt, ja, die Welt, zu rechnen habe.

Neben dem Politischen paralysiert das Schreckgespenst der tiefen Rezession, des Geschäftseinbruchs, der katastrophalen Folgen der damit ausgelösten Wirtschaftskrise. In den weiteren Krediten, also in noch höheren Schulden, wird die Lösung gesehen, wird sogar eine vernünftige Verpflichtung der USA erkannt, um die Welt nicht zu schädigen.

Die amerikanische Wirtschaft ist, wie alle kapitalistischen, auf Verschwendung aufgebaut, auf rücksichtslose Ausbeutung natürlicher und humaner Ressourcen. Krieg ist in diesem System und Konzept ein pragmatisch kalkulierter Faktor. Das gegenwärtige Geplänkel zeigt die Brüchigkeit, die fatale Fragilität dieser Konstruktion – und die Alternativlosigkeit, die bornierte Fixierung aller Beteiligten.

Dass es zu diesem Kapitalismus keine Alternative gibt, folgt keinem Naturgesetz, sondern resultiert aus Überzeugung, Kalkül, Profitgier und Kollaboration. Dafür sind Preise zu zahlen: direkte und indirekte (Nachhaltigkeit, Folgewirkungen, Umwelt etc.). So zu tun, als ob es auf die paar Abgeordneten im amerikanischen Repräsentantenhaus an käme, dass die Weltwirtschaft floriere, und damit die politische Landschaft bleibe wie sie ist, heißt ziemlich dumm die Sache zu vereinfachen.

Was bedeutet die „erfolgreiche“ Meisterung der Krise? Mehr Produktion und Konsumption, mehr Schulden. Im verschwenderischen Dauerkonsum, im hochgetriebenen Wachstum liegt der Weisheit letzter Schluss. Das ist aber eine alte Lösung, eine, die den Kern der Probleme bildet, die man vorgibt lösen zu wollen.

Die Krise beweist einmal mehr, dass es tatsächlich keine vernünftigen Änderungspläne gibt, sondern Erhaltungskämpfe, Vorbereitungen für neue Kriege. Alles alte Konzepte, alles im Rahmen des inhumanen Kapitalismus, der Zinseszinsherrschaft, der Ausbeutung.

Weil der Kern dieser Probleme aber tabuisiert ist, weil es fast niemandem vorstellbar ist, dieses System zu ändern, weil der Druck noch zu gering ist, wirklich zu ändern, geht nicht nur das Geplänkel weiter, sondern die bisherige Politik, das bisherige Wirtschaften. Es nehmen die Ablenkmanöver zu, die Verteilungskämpfe, die „Stellvertreterkriege“. Dabei geht es nicht um eine schnöde Wiederholung der Geschichte, die viele bestätigt sehen. Diese beschränkte Deutung enthebt bloß von eigener Verantwortung. Es geht um jene politische Kräfteentwicklung, die eine Änderung ermöglichte oder nicht. Und da liegt die Antwort klar vor uns, von unseren Politikern und ihren Hintermännern gegeben: es bleibt alles beim Alten, es wird schlimmer werden, wie kalkuliert, weil das System nichts anderes erlaubt.

Das ganze Geschwätz von Humanität und Nachhaltigkeit übertüncht nur den fundamentalen Widerspruch unserer Politik: es geht nicht um die Menschen, es geht um Macht. Da sind die Amerikaner, trotz und wegen ihrer Politik, immer noch Nr. 1.

Weil das banaler klingt, als es ist, wird das abgetan, belächelt. Teure Experten liefern Studien, heizen den Konferenztourismus an, reden und reden. Aber die banale Politik produziert Resultate, die Milliarden Existenzen determinieren, die das komplexe Gefüge doch wieder einfach bestimmen: hier die Gewinner, dort die Verlierer, trotz und wegen hoher Kosten.

Das sogenannt „Undenkbare“, das Unvermögen, Alternativen umzusetzen, sichert dieses System, auch Dank der Millionen von Experten, die eifrig erhalten, absichern, zurechtzimmern, was dann über die Medien tagaus, tagein den Konsumenten eingetrichtert wird. Die wenigen Alternativkonzepte haben keine Chance. Sie können zwar verbreitet und diskutiert werden, sie gelangen aber nie zur politischen Reife. Denn es hängt nicht an einem Wissens- und Informationsmangel, dass wir so krisengeschüttelt weiter machen, sondern ganz schlicht an der Politik und den Werten, die ihr zugrunde liegen. Und die sprechen eine andere Sprache.