Das tschechische Beispiel

/ Haimo L. Handl

Die Sensationsmeldung war in allen Medien. Mehr oder weniger ausführlich. Immer erstaunt, mutmaßend, fragend. Die tschechische Polizei hatte, geleitet von der Olmützer Oberstaatsanwaltschaft, von Mittwoch auf Donnerstag (12./13.6.2013) eine großangelegte Razzia im Regierungsamtsgebäude, im Verteidigungs- und Landwirtschaftsministerium sowie in zwei Villen von Lobbyisten durchgeführt. Unangekündigt, für alle überraschend.

Verhaftet wurden zwei ranghohe ehemalige ODS-Mitglieder, Petr Tluchoř und Ivan Fuksa sowie die Kabinettschefin Jana Nagyová des Ministerpräsidenten Petr Nečas, der frühere Staatssekretär Roman Boček und der Unternehmer und Lobbyist Robert Janoušek. Die Affäre dürfte sich ausweiten; im Visier sind an die 400 Verdächtige. Die ganze Aktion war minutiös seit zwei Jahren vorbereitet worden. Österreichische Spezialhunde zum Erschnüffeln von Geld waren als technische Hilfe an Prag ausgeborgt worden.

Die Opposition, vor allem die Sozialdemokraten, rufen nach Neuwahlen und Rücktritt der Regierung. Das Gerangel hat begonnen und wird noch einige Zeit dauern. Aber Neuwahlen schaffen das Problem und das Geschwür Korruption nicht aus der Welt. Tschechien braucht tiefgehende Aufdeckungen der kriminellen Machenschaften eines Teils seiner Elite.

Die brauchte auch Österreich. Ich wage mir kaum vorzustellen was hier los gewesen wäre, hätte es eine vergleichbare Aktion gegeben. Angebracht wäre sie! Sie wird vermutlich nie stattfinden, weil schier alle politisch Verantwortlichen meinen, das paralysierte den Staat, machte ihn vollends unregierbar. Lieber mit Korruption, Nepotismus, Klientelpolitik und Schiebereien weitermachen, als durch eine tabula rasa ungeahnte Sozialunruhen hervorrufen, die dann vielleicht erwartbar wären. Unsere Justiz scheint, ähnlich den smarten Anwälten, gut eingespielt im Zerhandeln der Agenden. Mit ganz wenigen Ausnahmen gibt es kein wirkliches, radikales Reinemachen. Das System erlaubt nur oberflächliche Maßnahmen und Korrekturen.

Man stelle sich vor, die österreichische Polizei stürmte Regierungsgebäude, Ministerien-Abteilungen, sogar Räume des Geheimdienstes, verhaftete wichtige Personen, beschlagnahmte Akten und Computer usw. usf. Das hieße, dahinter stünde eine unabhängige Justiz, die sich nicht ministeriellen Weisungen fügte, dahinter stünden Kräfte, die nicht klein beigäben, die nicht gekauft wären. So aber? Besteht berechtigte Angst, es könnte zuviel herauskommen, zuviel bekannt werden, wenn einige Schüssel- und Schlüsselfiguren verhaftet, vor Gericht gestellt und WIRKLICH geprüft und untersucht würden?

Man mag sagen, das alles gab es bei uns bereits im Kleinausmaß. Unsere Justiz ist unabhängig, die Staatsanwälte arbeiten professionell, die Richterinnen und Richter sind noch unabhängiger und unerschrocken tüchtig. Alle arbeiten zügig im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung. Fein. Aber weshalb ist so wenig noch aufgedeckt? Weil die Verdächtigen unschuldig sind? Weshalb folgen oft keine konkreten Aktionen, wo Schuld festgestellt wurde? Weil wir ein Rechtsstaat sind, der im Korruptionswahrnehmungsindex 2012 (CPI) von Transparency International von Platz 10 (2005) auf Platz 25 abrutschte?

Ich wünschte wir hätten ein Wikileaks für Österreich, eine der PRISM-Aufdeckung ähnliche Datenbank, aufgrund deren Veröffentlichungen das Verdecken und Vernebeln einfach nicht mehr möglich wäre. So aber sonnen sich die Verantwortlichen im Lichte des Datenschutzes, pfeifen auf die Untersucher, gängeln Ausschüsse und machen Werbung in den Medien bzw. belangen die Ankläger, die Republik. Wie lange noch?