Österreichische Verhältnisse

/ Haimo L. Handl

Es ist ja nicht nur der langjährige, verdiente, gepriesene Herbert Stepic, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International AG (RBI), die er in seiner vierzigjährigen Karriere mustergültig zu einem Global Player auf- und ausgebaut hat, der jetzt wegen läppischer Eigentumswohnungskäufe in Singapur, die er, als österreichischer Banker, just über mehrere Briefkasten- oder Offshore-Firmen in der Karibik und Hongkong abwickelte, was den sonst redseligen zum Rücktritt veranlasste, den er in einer überaus kurzen, dürren Pressemitteilung kundtat, der sich ins schillernde Sumpfblütenbild reiht, das Österreichs Wirtschaft und Politik auszeichnet.

Der Hypo Adria (Hypo-Alpe-Adria-Bank) – Skandal ‘zwang’ den Staat, teure Steuermittel in Milliardenhöhe zu verbraten, um die nun verstaatlichte Faulbank zu halten. Auch andere Banken hängen am Steuergeldtropf, zahlen trotzdem enorm hohe Boni an ihre Macher. Sogar die Raiffeisen Bank International, deren Chef Stepic kürzlich von seinem üblichen Jahresgehalt von 5 Millionen Euro (das wären immerhin 68.800.000 Schillinge) zwei gönnerhaft abstrich, weil in Sparzeiten das Bild des ‘gebonten’ Großverdieners doch nicht so gut ins Bild von Raiffeisen passt, einem Firmenkonglomorat, das fälschlicherweise immer noch das Image der früheren Genossenschaft vermittelt, fest verankert am Land, bei den Genossenschaftern, den Bauern. Letzteres ist schon lange Geschichte und vorbei. Im Gegenteil, die Firma trug zum Zusammenbruch der Bauernschaft, der vertieften Abhängigkeit vieler Agrarwirtschaftender von der Raiffeisenkrake bei, und unterstützt Konzentrationsbewegungen, wie sie für ein transnational operierendes Unternehmen profitabel sind.

Nun hat der Herr Stepic, aus Verantwortung für seine Organisation, also den Hut genommen. Man darf nicht vergessen, dass die bisherigen Unregelmäßigkeiten zu keinen nennenswerten Untersuchungen und Resultaten führten. Erst die Zuspielung der berühmten Offshore-Daten an Medien löste nun auch hier in Österreich etwas aus, das sonst österreichisch geblieben wäre, das heißt, nicht wirklich bekannt geworden und zu konkreten Reaktionen führend. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie weit Untersuchungen stattfinden, die weit über die jüngsten Finanzierungsaktionen führen müssen, die nur das Pünktchen auf dem ‘i’ sind.

Der Hypo Alpe Adria-Skandal beweist, dass dort, wo die Freiheitlichen das Sagen hatten, Kriminalität die Politik bestimmte. Die Hypo Alpe Adria diente als Selbstbedienungsladen, ähnlich wie die Telekom, deren dunkle, mafiotischen Umtriebe immer noch nicht voll aufgedeckt und geahndet sind.

Aber es sind ja nicht nur diese Firmen und Personen. Da gibt es eine ganze Reihe von Politikern, Konzernchefs, Unterhändlern, Consulenten, Vermittlern, Werbern und Beratern, die Dreck am Stecken kleben haben, aber dennoch unverfroren behaupten, alles sei rechtens gewesen, die Nichtleistungen, für die sie Millionen kassierten, Leistungen usw. usf.

Es genügt nicht auf die BAWAG zu verweisen und zu meinen, damit sei ein Skandal gelöst. Er ist ungelöst. Der saubere Ex-Finanzminister Grasser wird zwar oft belangt, aber immer kommt er davon, weil er unschuldig sei bzw. weil ihm nichts bewiesen werden kann, das zu Verurteilungen führt. Das ist bei Meinl so und beim Jagdgrafen im Burgenland, so dass die ‘Kleineren’ gar nicht mehr ins Aufmerksamkeitsfeld der Öffentlichkeit geraten.

Aber die Skandale, die zum Ärger der Macher und der meisten Politiker nun doch an die Öffentlichkeit gelangen beweisen, dass Korruption zum Alltagsgeschäft gehört. Der Finanzskandal in Salzburg behielt aber die ÖVP, die mitmachte, am Ruder. Es genügte den Wählern, die SPÖ abzustrafen. Problem gelöst? Nein, die Mechanik dieser Geschäftspraxen wurde nicht ernstlich problematisiert, vor allem nicht gesetzlich verhindert. Aufgrund von Druck einiger Bundesländer.

Was macht die FPÖ? Erstaunlich, dass trotz der haufenweisen Belege ihrer Selbstbereicherungs-Klientelpolitik in Kärnten noch viele sie unterstützen und meinen, sie tauge zur Politik. Zwar ist auch der ÖVP oder SPÖ hinsichtlich Korruptionsverseuchung nicht zu trauen, aber den Freiheitlichen schon gar nicht. Doch die Blauen legen ein Wahlkampfprogramm gegen die Ausländer vor. Lenken ab von ihren Machenschaften, ihrer Inkompetenz. Sie vertrauen auf die Dummheit weiter Teile in der Bevölkerung, die die Nase voll haben, aber nicht kapieren, dass die Sündenbockstrategien nicht nur keine Lösung darstellen, sondern echte Änderungen und Reformen sogar verhindern.

Die sogenannt ‘freiheitliche’ Spießerpartei konzentriert sich also, wie üblich, auf die bösen Ausländer, die unser Sozialnetz strapazieren, die Arbeitsplätze wegnehmen. Doch die höchsten Belastungen, die die Zweite Republik je sich auflud, stammen aus den unverantwortlichen Spekulationen unserer Banker, resultieren aus der gängig gewordenen Korruption der feinen Herren an den Spitzen von Betrieben und Parteien.

Dass Strache und seine Helfershelfer überzeugt sind, mit einer Kampagne gegen die Ausländer sich Stimmen holen zu können, auch in neuer Konkurrenz zum paternalistisch auftretenden Milliardär Stronach, der beweist, dass man mit Geld alles machen kann, zeigt, wo die Gefahren liegen: in der Dumpfheit von Wutbürgern und Protestlern, die es denen da oben zeigen wollen, die aber nicht merken, dass sie instrumentalisiert werden, dass die Programme der Spießer und des Paten keine demokratischen Lösungen ermöglichen.

Beim Fall Stronach darf auch nicht vergessen werden, dass sein Österreicheinzug von den Sozialdemokraten unterstützt und geebnet wurde. Wer erinnert sich noch daran, dass es die SPÖ war unter dem Nadelstreifler Vranitzky, die den Bemühungen der Gewerkschafter, in den Betrieben des Magna-Chefs sich, nach österreichischem Recht, zu organisieren, Betriebsräte einzurichten und so weiter, ein Dämpfer verabreicht und Riegel vorgeschoben wurden? Wegen der wichtigen Investitionen wurden verbriefte Rechte aufgehoben, erhielt der Macher aus Kanada Sonderbedingungen, kuschten die Sozis, wie so oft in ihrer unseligen Geschichte. Heute haben wir deshalb einen Paten, der frech die Abschaffung der Gewerkschaften fordert.

Und die jüngste Ironie stellt die Bereitschaft der siegreichen Grünen in Salzburg dar, dort die Stronach-Partie (!) in die Regierung zu holen, in einem Rundumschwenk, der die Glaubwürdigkeit dieser Sauberfraupartei schwer belastet. Auch das gehört zum Bild. Das ist Österreich. Das sind seine Verhältnisse. Dass es woanders in Europa noch schlimmer zugeht, ist kein Trost. Bei uns dauert alles nur viel länger.