(Quer)Verbindungen

/ Haimo L. Handl

Querverbindungen sind andere als bloße Verbindungen. Ein Querdenker wird als besonders wertvoll gesehen eine Entwicklung vorwärts zu bringen, wiewohl er quer, also gegen die eingeschlagene Richtung denkt. Das eigentliche Ziel liege also quer. Oder, das Ziel liege vorn, voran, und um es zu erreichen, muss quer abgewichen werden, weil die bisherigen Schritte nur vordergründig vorwärts orientiert sind und nicht zum Ziel führen.

Querverbindungen heißen unter anderem also Verbindungen, die indirekt verbinden, sich also von den direkten unterscheiden. Trotzdem wird der Terminus für gewöhnlich so verstanden, als ob Quereinsteiger mit Querverbindungen direkter, effektiver und effizienter zum Ziel führen.

Der Begriff schafft aber nicht Klarheit, sondern verdeckt sie. Bei Aufdeckungen z. B. werden nicht nur nicht die Verbindungen offengelegt und untersucht, die Strukturen und Hintergründe, sondern die sogenannten Querverbindungen bieten ein schier chaotisch anmutendes Gewirr, das gezielte Aufdeckung verhindert oder so kompliziert und schwierig macht es zu entwirren, dass Gerade und Quere, Obere und Untere, vor allem aber Eigentliche, nicht herausgeschält und adäquat bewertet werden (können).

Die Öffentlichkeit gibt sich dann mit kleinen Ergebnissen, sogenannten Bauernopfern, zufrieden, bzw. die Rufe nach umfassender Aufklärung verhallen, oder Untersuchungsschritte verlaufen sich, versanden.

Unsere parlamentarischen Untersuchungsausschüsse belegen dies eindrücklich. Aber auch die Medien als Vertreter und Konstrukteure des öffentlichen Interesses lassen sich einerseits abspeisen, entwickeln andererseits gar kein tiefgehendes Interesse an einem Fall, der, falls er aufgedeckt würde, die Komplexität der Verbindungen und Querverbindungen belegte.

Anders kann man sich die Nichtwirkung der Tierschützer-Mafia-Terroristen-Prozesse nicht erklären, ebenso wenig wie die schleppenden Untersuchungen zu allen Machenschaften von Grasser & Co. Aber auch gräfliche Jagdherren, die eigentlich kein Vermögen haben, gehören dazu, Waffenschieber oder Banker, die Haftverschonung erhalten, während andere, wie der junge Flöttel, grinsend im Ausland sich der wohlverdienten Freiheit erfreuen, weil ihre Querverbindungen immer noch nicht so untersucht wurden, dass sie zu relevanten Ergebnissen bei uns geführt hätten. Und wie deuten wir den Umstand, der der Obermacher, der Wolfgang Schüssel, nie und nirgends befragt und untersucht wird? Drohen hier so viele Verbindungen und Querverbindungen aufgedeckt zu werden, dass es dem Staat, dem bewährten Selbstbedienungssystem, doch zu kostspielig und zu gefährlich würde? Diktiert eine eigentümliche Staatsräson das Stillehalten, Verdecken und Weitermachen, ähnlich der der Regierung unseres Nachbarlandes Tschechien, die überhaupt kein Interesse an der gerichtlichen Klärung des größten ihrer Korruptionsfälle hat, der „wilden Privatisierung“ der Kohlegesellschaft MOST (Prozess in Bellinzona, Schweiz)?

Herr Berlakovich scheint sich verrechnet zu haben. Er legte sich nicht mit Konkurrenten an, sondern mit einem Thema, das die Öffentlichkeit mehr aufregt als Milliardendiebstähle, Veruntreuungen, Firmenvernichtungen, Schiebereien und dergleichen. Er ist zwar noch im Amt, aber seine Beliebtheit sank dramatisch. Gewinnt er und seine Partei der vordergründigen Saubermänner mit ausgewiesener Wirtschafskompetenz nicht trotzdem?

Denn der Blick auf die nun doch erzwungene Ächtung gewisser Gifte, die die Landwirtschaft so dringend braucht und tonnenweise einsetzt, verhindert den Blick auf die Netzwerke, die Hintermänner, die Firmen und Lobbies, die das Geschäft und die damit einhergehende Malaise bedingen. Wie tief und klar und breit und weit werden denn die Verflechtungen aufgedeckt, an deren Spitze der Herr Berlakovich steht? Raiffeisenkonzern, Bauernbund und Giftmittelproduzenten? EU-Agrarpolitiker und Chemiekonzerne?

Der Hinweis auf die millionenteure Homepage des Herrn Ministers könnte zwar auch wichtig sein, weil sie ein freches Verschwenden belegt, das natürlich in der Zuschanzung von Aufträgen System hat, lenkt aber, gemessen am Kern des Skandals und den verdeckten Hintergründen, doch ab. Es geht um viel mehr, als diese Art Geldverschwendung.

Doch sogar dort, wo nach Rechnungshofberichten und –rügen Missstände aufgedeckt werden, erfolgt keine Änderung. Keine Untersuchung, die zu spürbaren, konkreten Maßnahmen führt. Warum wir in Österreich uns einen Rechnungshof leisten, der zahnlos nur empfehlen darf, worauf nichts geschieht, um Misswirtschaft und Betrug abzustellen, ist jedem Vernünftigen unerklärlich.

Die österreichische Logik ist eine besondere. Unsere Politiker beschließen ja auch ein Gesetz das vorsieht, die Politikerbezüge offenzulegen, und das gleichzeitig verhindert, dass im Falle der Weigerung bzw. der Falschangaben Konsequenzen erfolgen. Einmalig! Aber es geht durch. Das wiederum beweist, dass sich die Macher noch viel mehr erlauben können, weil nichts, wirklich gar nichts in unserem Land zu entsprechenden konkreten Aktionen führt.

Es gibt schon ein paar Forderungen nach Konsequenzen, die über das übliche Gelabber hinausgehen. Der Apparat ist jedoch so stark, dass er durch solche Rufe nicht einmal angekratzt wird. Die Abwahl der SPÖ in Salzburg schwächt DIESES System in keiner Weise. Denn der Kern des Politikums, die Spekulationsgeschäfte, ist nach wie vor nicht gelöst, und soll nach dem Willen wichtiger Politiker auch nicht gelöst werden.

Eine spezifische Als-ob-Politik beherrscht und kennzeichnet unser System. Man tut dann doch anders, nach hinten und unten, nach oben, aber auch querfeldein. Würde die Mehrheit „quer“ richtig verstehen, ließe sich das nicht praktizieren.