Licht aus

/ Haimo L. Handl

Die weltgrößte zivile Aktion ist gestern wieder abgerollt. Ein Superereignis für die event-verwöhnte Spaßgesellschaft, die sichtbar beweisen will, wie ernst es ihr mit ihrer Sorge um das Klima ist. Zur Earth Hour schalteten wieder viele Millionen Organisationen, Firmen und auch Privathaushalte ihre Lichter aus, um ostentativ zu demonstrieren. Und das gleich für eine Stunde. 2007 initiiert vom WWF Australia, hat die medienwirksame Aktion sich in die Eventkultur profitabel eingefügt. Sie erreicht mehr Aufmerksamkeit als der von der UNESCO 1969 eingerichtete Earth Day, der am 22. April begangen wird.

Doch was bewirkt das temporäre und telegene Lichterlöschen? Es ist zuerst eine Promotionskampagne für eine Organisation. Dann es ist ein Befriedigungsmittel für Gutmenschen, die sich, ähnlich einem Placebo, eine Beruhigung verschaffen: ICH habe verantwortlich mitgewirkt. Und Organisationen oder Firmen dürfen werbewirksam sagen (ähnlich wie die ‘grüne’ BP – British Petrol – dass sie auf die Umwelt schauen…) WIR sorgen uns um das Klima, WIR helfen der Umwelt, WIR übernehmen Verantwortung usw. usf.

Es ist natürlich nicht dem WWF anzulasten, wenn die symbolträchtige Aktion so leicht missbraucht wird. Aber es ist auch kein Zufall, dass solche Organisationen Aktionen durchführen, die wie geschaffen sich ins Gefüge der Täuschung und Beruhigung einpassen. Denn die Aktion selbst wird allzu leicht als Aktivismus und nicht als Symbol oder Zeichen verstanden. Wir haben weltweit für eine Stunde die Lichter gelöscht. Na und? Was weiter?

Zur Erzeugung von Milliarden von Wegwerfartikeln werden nicht nur Energien verbraucht in Form von Elektrizität und Wasser, sondern auch von Werkstoffen, deren Entsorgung x-fach höheren Aufwand erfordert, als zur profitablen Produktion nötig waren. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Produktion Gewinne erbringt, die den Unternehmen verbleiben, in vielen Ländern sogar steuerlich bevorteilt, während die enormen Entsorgungskosten die Konsumenten bzw. Steuerzahler zu tragen haben.

Wer denkt schon an die Energiekosten, an die Umweltauswirkungen der Verschwendungsproduktion, wenn er Kugelschreiber, Feuerzeuge nimmt und wegwirft, wenn elektronische Geräte nach kurzer Zeit in den Müll geworfen werden, weil eine Reparatur zu aufwendig wäre bzw. weil das Gerät so erzeugt wurde, dass es, weil ‘solid state’, gar nicht repariert werden kann? Und was geschieht gegen die programmierte Kurzlebensdauer vieler Produkte, die eine Entsorgung erzwingen, damit neue Artikel profitabel abgesetzt werden können zugunsten der Konzerne?

Aber ohne Verschwendung, die durch die fashion industries noch zusätzlich angeheizt wird, bräche die Wirtschaft zusammen, da sie nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. De Kette würde reißen, weitere Jobs gingen verloren, wenn die Konsumenten nicht verschwendeten und immer mehr konsumierten. Nun, wenn man mal die Lichter löscht, ändert sich nicht viel. Zufall? Nein. System.

Gibt es also irgendwo ein Zeichen, dass das kurzfristige Verdunkeln zu einer Erhellung des Verantwortungsbewusstseins geführt hätte? Nein. Die Konsumenten, die in teuren Restaurants während der weltweiten Verdunkelungsstunde ihr exquisites candle light dinner genießen, wollen auch Frischobst und –gemüse aus der ganzen Welt zu jeder Jahreszeit per Luftfracht hergeschafft, wollen ihre kostbaren Urlaube überall auf dem Globus und jederzeit genießen. Die Spaßgesellschaft ist auch eine Genussgesellschaft, aber eine, die die Kosten nicht reell bedenkt. Auch der sogenannte ‘kleine Mann’, den es ja nicht mehr gibt, will nicht hintanstehen und macht mit. So läuft das Geschäft: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Noch Fragen?

Irgendwie, vielleicht unfreiwillig, führt die vielleicht gutgemeinte Aktion zu einer Verdunkelung, einer Kaschierung und Verdeckung, also zu einer Täuschung. Das könnte man, auch bei Kerzenlicht, bedenken.