Es gibt keine Frauen

/ Haimo L. Handl

Die gender politics fordern eine durchgehende Gleichstellung der Geschlechter, die auch auf objektive Unterschiede keine Rücksicht mehr nimmt, wiewohl biologische Unterschiede existieren, wir ohne sie nicht leben könnten.

In einem Interview der Wochenzeitung DIE ZEIT wurde 2011 der deutsche Schriftsteller Thomas Meinecke gefragt: ‘Sie bezeichnen sich selbst als Feminist, sind aber offensichtlich keine Frau. Wie geht das zusammen?’ Seine Antwort: ‘Eine Frau ist eben so wenig eine Frau wie ich. Frau-Sein braucht einen bestimmten kulturellen Kontext. Ihre Frage ist falsch gestellt. Sie geht von einem überholten Essentialismus der Geschlechter aus. Da der Feminismus solche soziale Rollenzuschreibungen hinterfragt, hat er ein universales Potenzial, gesellschaftliche Normen aufzubrechen, das für jeden interessant ist.’

So einfach ist das also in der politisch korrekten Gesellschaft, in der die Modernen, die Schwätzer, Oberflächentypen, Seichtes tradieren. Aber die biologischen Bedingungen, um als weibliches Wesen zu reproduzieren, sind älter als die kulturellen Werte, die sich im Laufe der Entwicklung bildeten. Oder wollen diese Pseudos uns weismachen, dass auch DAS nur eine Zuschreibung ist, eine gesellschaftliche Konvention?

Nichts ist, alles scheint. Der extreme Relativismus feiert seine Triumphe und die Schwätzer regieren. Bis zum nächsten brachialen Aufräumen, wenn die Konkretionen ganz konkret, ganz real aufräumen. Zwar verständlich als Reaktion, aber nicht begrüßenswert.

Die hierzulande scheinbar politisch korrekten Auseinandersetzungen bzw. medialen Scharmützel könnten allerdings einen ungewollte Gegenwirkung erzeugen. Wie so oft in der Vergangenheit würde damit der Sache der Frauen, der Emanzipation, die ja nicht nur Frauen betrifft, geschadet.

Politik gebärdet sich wie in Zeiten übler Gesinnungskultur, die noch nicht zur Diktatur werden konnte. Das ruft Erinnerungen wach an Versuche, objektive Wissenschaften ideologisch festzumachen, zu bestimmen, was nicht funktionierte: die deutsche, arische Physik ging ebenso den Bach runter, wie der sowjetische Lyssenkoismus und ähnliche Versuche ideolgischer Diktate. Wenn die gender politics durch ihre kurzsichtigen Übertreibungen ein ähnlich Schicksal erfahren, werden es nicht nur die dummen oder unbelehrbaren Gegner gewesen sein…

Die Tatsache des ungleichen Lohns für gleiche Arbeit ließe sich einfach lösen. Eine politische Entscheidung – entsprechend den Machtverhältnissen. Ebenso das Problem fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen. An diesen zu rütteln, sie zu ändern, brächte mehr, als im Überbaubereich zur Sprache und zu Formeln und Piktogrammen vordergründige Reformen durchzusetzen. Auffällig auch die Art der gegenwärtigen Sexismusdebatte. Sie mag vielleicht Frustrationen ventilieren und Rachegelüste befriedigen, wird aber eher den öffentlichen Diskurs durch Sanktionsandrohung einschränken und in politisch korrekte, ‘gezügelte’ Bahnen lenken, als einer freien, emanzipatorischen Entwicklung dienlich sein.

Die Fragen der Emanzipation und gleicher Rechte sind zu wichtig und ernst, als dass man sie den modischen Theoretikern, ob Feministinnen oder geschwätzige Anbiederer, überlassen sollte. Deren Theater lenkt eher ab. Die Realitäten lassen sich nun mal nicht primär vom Überbau her umdrehen. Das haben schließlich die Revolutionen gezeigt, in Ost und West. Oder gibt es irgendwo den immer wieder proklamierten, anvisierten ‘Neuen Menschen’?