Der Papst am Ende

/ Haimo L. Handl

Nach dem verlautbarten Rücktritt des Oberhaupts der katholischen Kirche, Papst Benedikt 16., wurde ich gefragt, ob mich das freue bzw. ob ich mich dazu äußern werde. Ich werde nicht über den Papst schreiben, keine Häme ausgießen, obwohl ich, dies feststellend, schon über ihn schreibe, aber nur, um zu verdeutlichen, warum ich mich nicht darüber auslasse.

Obwohl ich Atheist bin, regen mich X Vorfälle, Maßnahmen, Aktionen und dergleichen von Kirchen, ihren Vertretern und den Gläubigen meist nicht derart auf, dass ich meine, darauf öffentlich reagieren zu sollen. Das wichtige Problem der strikten Trennung von Staat und Kirche ist ungelöst, wiewohl es im Westen weniger aktuell ist als in anderen Kulturen und Ländern, vor allem den moslemischen. Ich würde als nicht religiöser oder ungläubiger Jude in Israel meine Probleme haben, von den höchst intoleranten, barbarischen islamischen Ländern ganz zu schweigen.

Auch fände ich mich in prekärer Opposition zu Putins Koalitionspolitik mit der russischen orthodoxen Kirche und dem daraus folgenden, besorgniserregenden Niedergang an letzten Resten demokratischer Kultur.

Aber all das hat mit Regierungen, Gesetzeswerken und den vielen Gläubigen zu tun, die als Gläubige die Basis für ihre Führer und deren (Un)Taten liefern. Da wir im Westen noch einen Rest der Aufklärung genießen dürfen, ist die Macht der Kirchen noch nicht auf ihr früheres Niveau wieder angewachsen, wiewohl viele blinde Gutmenschen alles unternehmen, um diese Institutionen zu stärken.

Eine Häme gegen den abtretenden Papst reihte sich nur ein in die untauglichen, oberflächlichen Hassäußerungen gegen einen Papiertiger. Interessanterweise sind die meisten dieser Protestierer oder Verurteiler kleinlaut gegenüber Islamisten, die heute die viel schlimmere Gefahr darstellen, ganz zu schweigen von den Massen der Mitläufer, der Ducker, Schlecker und Kriecher, die die europäische Aufklärung vollends zu kippen scheinen, aufweichen, unterminieren, zerstören.

Nein, der Papst rührt mich nicht. Auch die peinlichen Sprüche vom ‘Lieben Gott’, die Kardinal Schönborn im ORF verzapft, rufen in mir keine Abscheu hervor. Wer Ohren hat, der höre. Was soll dazu noch gesagt werden?

Religion sollte, wie Philosophie, Privatsache sein. Wäre dies der Fall, existierten viele Probleme nicht als öffentliche. Für mich ist Religion Privatsache. Ich wettere als Atheist nie gegen Religionen oder Gottesglauben. Meine Kritik richtet sich gegen den politischen Aspekt von Kirchen, ihren Vertretern und Gläubigen. Ich wehre mich gegen Anmaßungen. Das ist alles. Würde Religion, ganz gleich welche, wie Philosophie behandelt, gäbe es vielleicht Streitgespräche. Mehr nicht. Es sind Staaten, Regierungen, politische Institutionen, die kritisiert werden müssen, sobald und wenn sie Religion als Politikum einsetzen. Oder wenn Gläubige wünschen, dass IHRE Religion verbindliches Programm wird, dessen Nichtbeachtung sanktioniert wird.

Machen wir uns nichts vor. Ohne Gefolgschaft könnte kein Führer Macht ausüben. Das war nicht nur beim Adolf so, bei Stalin oder Mao, das war und ist bei jedem Führer so.

Den Rücktritt des Pontifex als gesellschaftlich relevantes Ereignis betrachten heißt da nur, es vergrößern, stärken. Man kollaboriert, ist als vermeintlicher Gegner Teil der Maschinerie. Da bleib ich draußen und wundere mich über die scheinbaren Probleme, die gewisse Gläubige und gewisse Gegenüber zu haben vorgeben.

In Zeiten heraufdräunender Religiosität, eines Wiedererstarkens schier mittelalterlicher Denk- und Verhaltensweisen, mag der Rücktritt erhöhte Aufmerksamkeit finden. Aber das lenkt ab von dem tiefen Problem einer brüchigen Moderne, die die Aufklärung nicht fortsetzt, sondern bequem mit Halbheiten und Lügen sich durchschlängeln will: gutmenschlich, dumm, pseudo-tolerant, inhuman. Diese Wischiwaschihaltung in unserer Opferkultur besorgt mich mehr, insbesondere gegenüber den indoktrinären Fundamentalisten jeder Couleurs.