Lebende Mobilien

/ Haimo L. Handl

Als in Indien eine Gruppe hungriger Männer sich zur Stillung ihrer Triebbedürfnisse einer Weibsmobilie, eines femininen Möbelstückes bediente, ging einiges schief, weil das Möbel, ärger als ein Billigmöbelhausprodukt, sperrte, zerrte, biss und sich wehrte. Zwar setzten die verärgerten Männer ihre männliche Gewalt ein, wie üblich, möchte man sagen, aber diesmal war das Ergebnis doch etwas anders als üblich, möchte man sagen.

Normalerweise gibt es keinen öffentlichen Aufstand wegen solcher Lappalien. Frauen werden gebraucht. Es gibt kein sensibles Gebrauchsverständnis, weil dann klar wäre, dass der Gebrauch schon ein Missbrauch ist. Ähnlich wie in islamischen Kulturen wird das Frau aber als Mobilie, als bewegliches Gut gehandelt, gebraucht und verbraucht. Feinde sind jene, die diesen Verbrauch stören, den Kreislauf unterbrechen.

Durch welch teuflische Einflüsse auch immer wird aber das althergebrachte Rechtsordnungsempfinden gestört. Die schleißigen Möbel versagen ihren Dienst, sind rascher als früher abgenutzt, ausgeleiert, verbraucht eben. Keine Qualität mehr. Mann hat es schwerer. Bei den Moslems lassen sich einige auf die Jungfrauen bei Allah im Himmel vertrösten, bei den Hindi ist das etwas anders. Für die Möbel ist es fast gleich. Sie werden, wenn nicht mehr gebrauchsfähig, entsorgt. Normalerweise.

Jetzt regt sich Widerstand, obwohl die Polizei, das Justizwesen, die Medien, seit je das übliche, althergebrachte Rechtsordnungsempfinden pflegten und auch heute noch versuchen, den Mobiliaraufstand zu unterdrücken. Ich bin etwas ungenau und zu verallgemeinernd. Nicht alle Möbelhauskunden sind solche Möbelentsorger. Es gibt auch Leute, die das widerlich finden, auch in Indien.

Aber als eine TV-Station ein Interview des Freundes des verstorbenen Vergewaltigungsopfers ausstrahlte, in welchem dieser nicht nur Vorwürfe gegen die ignorante Polizei erhob, sondern auch die Identität des Opfers preisgab, erstatte die Polizei gegen den Sender Anzeige, denn in Indien ist es verboten, gewisse Opfer zu identifizieren, unter anderem solche von Vergewaltigungen. Wenigstens hierin ist die Bürokratie mit ihren schlagkräftigen Organen genau.

Die ganze Sache wäre nicht so publik geworden, hätten die Proteste nicht das Ausmaß öffentlicher Unruhe erreicht, das sich sonst nur bei Grenzkonflikten oder religiösen Auseinandersetzungen einstellt. Aber da die Frauen und einige männliche Unterstützer diesmal es nicht bei „gesitteten“ verbalen Protesten, Leserbriefen oder friedlichen Demonstrationen beließen, musste die Regierung, um Schlimmeres zu vermeiden, handeln. Eine wichtige Botschaft, auch für andere Länder.

Vielleicht springt der Funke auch einmal auf moslemische Länder über, wo die Männer immer noch die Privilegien des Islams als Mobilienkultur pflegen. Aber auch im Westen, wo die Frauen doch etwas mehr Rechte sich zu sichern vermochten, als anderswo, liegt noch vieles im Argen, wenn es um Besitzdenken und Verfügungsgewalt geht, um die Herrschaft über das bewegliche Gut.