Tröstungen

/ Haimo L. Handl

Nun war es also doch nicht zu Ende gegangen. Die Propheten hatten, wie immer, unrecht und mussten neue Rechtfertigungen für ihre Fehlaussagen finden. Die einen feierten Parties, die andern freuten sich der Geschäfte, einige waren naiv erfreut, dass der Untergang sich nicht ereignete, während viele einfach indifferent, wie immer, mitmachten oder beiseite standen.

Namhafte Medienunternehmen hatten sich engagiert und bezogen Stellung, als ob es um etwas Ernsthaftes ginge. Ein Mathematikprofessor sagte mir, ich solle nicht streng urteilen, die meisten Menschen wollten einfach einen Spaß, der ihnen doch zu gönnen sei.

Ja, die Spaßkultur. Die meisten wollten nur dabei sein, ihren Spaß haben. Viele machten einfach mit, weil es ja in den Medien kolportiert worden war. Sah man sich die Gesichter der Möchtegernadventisten an, waren sie von den anderen in den Käuferschlangen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Straßen und Plätzen nicht zu unterscheiden. Niemandem war es ins Gesicht geschrieben.

Die nervöse Hektik unterschied sich nicht von der üblichen, die sie gewohnt waren. Seit Jahren schon übten sie die Lüge, sprachen geübt von der „stillen Zeit“, vom „Frieden“ und mühten sich nervös ab im Konsumstrudel, im gierigen Raffen und Häppchen und Schnäppchenjagen, im technisierten Daseinskampf.

Da waren 1.000 Euro, die im Radio zu gewinnen waren, eine „echte Freude“, ein „Weihnachtsgeschenk“, um gleich noch mehr zu kaufen, zu kaufen, zu kaufen. In den Supermärkten lockten Superpreise und Rabatte überteuerter Waren Käufer, die, wie immer, den Lockungen erlagen und sich freuten, Geld ausgeben zu können. Konsum als nachhaltige Daseinsbestätigung! Das funktioniert besser als alles andere.

Drum gab es organisierte Reisen an ausgesuchte Plätze zum Weltuntergang, die jetzt, nachdem der Untergang nicht stattfand, für andere Veranstaltungen genutzt werden. Es gibt immer Gründe fürs mobile Konsumieren.

Und während Kinder als Sängerknaben in Kinderarbeit schuften, weinen Mütter und Verwandte ob des Glücks und des trauten Friedens. Da die Kriege nicht einfach ausgesetzt werden (soweit geht das Gedusel nun doch nicht!), wird halt das Nachrichtenumfeld positiv verstärkt: Bei uns brennen die Lichter, dort die Dichter und Wichter und anderes Gelichter.

Fernsehfilme als echte moralische Aufbauung werden en masse verabreicht und gierig aufgesogen. Es kann ja so schön sein. Leben wir nicht in glücklichen Zeiten? Wir haben viel, und was wir mehr wollen, holen wir uns morgen. Denn es gibt ja keinen Untergang. Frohe Weihnacht, frohes Morgen!